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Vom Kriege - title image

Carl von Clausewitz

[Table of Contents]

This website presents a complete German edition of Carl von Clausewitz's classic work on the theory of war, Vom Kriege. It has been posted by ClausewitzStudies.org. For background on Clausewitz, visit our FAQs page.

Fünftes Buch:
  Die Streitkräfte

Erstes Kapitel: Übersicht

Wir werden die Streitkräfte betrachten:

1. nach ihrer Stärke und Zusammensetzung;

2. in ihrem Zustand außer dem Gefecht;

3. in Rücksicht ihres Unterhaltes und

4. endlich in ihren allgemeinen Beziehungen zu Gegend und Boden.

Wir werden uns also in diesem Buche mit denjenigen Beziehungen der Streitkräfte beschäftigen, die nur als notwendige Bedingungen des Kampfes, nicht als der Kampf selbst zu betrachten sind. Sie stehen mit diesem Kampf in mehr oder weniger enger Verbindung und Wechselwirkung und werden also bei der Anwendung des Kampfes noch oft zur Sprache kommen, aber wir mußten sie einmal jede für sich als ein Ganzes in ihrem Wesen und ihrer Eigentümlichkeit betrachten.

Zweites Kapitel: Armee, Kriegstheater, Feldzug

Eine genaue Bestimmung dieser drei verschiedenen Werkschuhe für Zeit, Raum und Masse im Kriege läßt die Natur der Sache nicht zu, um aber nicht zuweilen ganz mißverstanden zu werden, müssen wir uns den Sprachgebrauch, an den wir uns in den meisten Fällen gern halten, etwas deutlicher zu machen suchen.

 

1. Kriegstheater

Eigentlich denkt man sich darunter einen solchen Teil des ganzen Kriegsraumes, der gedeckte Seiten und dadurch eine gewisse Selbständigkeit hat. Diese Deckung kann in Festungen liegen, in großen Hindernissen der Gegend, auch in einer beträchtlichen Entfernung von dem übrigen Kriegsraum. - Ein solcher Teil ist kein bloßes Stück des Ganzen, sondern selbst ein kleines Ganze, welcher dadurch mehr oder weniger in dem Fall ist, daß die Veränderungen, welche sich auf dem übrigen Kriegsraum zutragen, keinen unmittelbaren, sondernnur einen mittelbaren Einfluß auf ihn haben. Wollte man hier ein genaues Merkmal, so könnte es nur die Möglichkeit sein, sich auf dem einen ein Vorgehen zu denken, während auf dem anderen zurückgegangen würde, eine Defension, während auf dem anderen offensiv verfahren würde. Diese Schärfe können wir nicht überall mitnehmen, sie soll bloß den eigentlichen Schwerpunkt andeuten.

 

2. Armee

Nehmen wir den Begriff des Kriegstheaters zu Hilfe, so ist es sehr leicht zu sagen, was eine Armee ist - diejenige Streitmasse, die sich auf einem und demselben Kriegstheater befindet. Allein dies umfaßt den Sprachgebrauch offenbar nicht ganz. Blücher und Wellington führten 1815 zwei Armeen an, ob sie gleich auf einem Kriegstheater waren. Der Oberbefehl ist also ein anderes Merkmal für den Begriff der Armee. Indessen ist dieses Merkmal dem obigen sehr nahe verwandt, denn wo die Sachen gut eingerichtet sind, sollte auf einem und demselben Kriegstheater nur ein Oberbefehl sein und der Befehlshaber eines eigenen Kriegstheaters niemals eines angemessenen Grades von Selbständigkeit entbehren.

Die bloße, absolute Stärke des Heeres aber entscheidet bei der Benennung weniger, als es im ersten Augenblick scheint. Denn wo mehrere Armeen auf einem und demselben Kriegstheater und unter gemeinschaftlichem Oberbefehl handeln, tragen sie diesen Namen nicht der Stärke wegen, sondern sie bringen ihn aus ihren früheren Verhältnissen mit (1813 die Schlesische, Nordarmee usw.), und man wird eine große Masse, die bestimmt ist, in einem Kriegstheater zu bleiben, zwar in Korps, aber niemals in verschiedene Armeen teilen, wenigstens wäre das gegen den Sprachgebrauch, der also fest an der Sache gehalten zu haben scheint. Auf der anderen Seite wäre es zwar pedantisch, für jeden Parteigänger, der in einer entfernten Provinz unabhängig haust, den Namen einer Armee in Anspruch zu nehmen, doch kann man nicht unbemerkt lassen, daß es niemand auffällt, wenn von der Armee der Vendéer im Revolutionskriege die Rede ist, wiewohl sie oft nicht viel stärker war. Die Begriffe Armee und Kriegstheater werden also in der Regel miteinander gehen und sich wechselseitig tragen.

 

3. Feldzug

Ob man gleich oft Feldzug nennt, was in einem Jahr an kriegerischen Begebenheiten auf allen Kriegstheatern vorgekommen ist, so ist es doch gewöhnlicher und bestimmter gesprochen, die Begebenheiten eines Kriegstheaters darunter zu verstehen. Schlimmer aber ist es, mit dem Begriff von einem Jahr fertig zu werden, da sich die Kriege nicht mehr durch bestimmte und lange Winterquartiere von selbst in einjährige Feldzüge abteilen. Da die Begebenheiten eines Kriegstheaters von selbst in gewisse größere Abschnitte zerfallen, wenn nämlich die unmittelbaren Wirkungen einer mehr oder weniger großen Katastrophe aufhören und neue Verwicklungen geschürzt werden, so müssen diese natürlichen Einschnitte mit in Betrachtung gezogen werden, um einem Jahre (Feldzuge) seinen vollständigen Anteil von Begebenheiten zuzumessen. Niemand wird den Feldzug von 1812 an der Memel endigen lassen, wo die Armeen sich am 1. Januar befanden, und den weiteren Rückzug der Franzosen bis über die Elbe zum Feldzug von 1813 rechnen, da er offenbar nur ein Stück des ganzen Rückzuges von Moskau ist.

Daß die Feststellung dieser Begriffe keine größere Schärfe hat, ist von gar keinem Nachteil, weil sie nicht wie philosophische Definitionen zu irgendeiner Quelle von Bestimmungen gebraucht werden können. Sie sollen bloß dienen, der Sprache etwas mehr Klarheit und Bestimmtheit zu geben.

Drittes Kapitel: Machtverhältnis

Wir haben im achten Kapitel des dritten Buches gesagt, welchen Wert die Überlegenheit der Zahl im Gefechte und folglich die allgemeine Überlegenheit in der Strategie hat, woraus denn die Wichtigkeit des Machtverhältnisses hervorgeht, über welches wir hier noch ein paar nähere Betrachtungen anstellen müssen.

Wenn wir die neueste Kriegsgeschichte ohne Vorurteil betrachten, so müssen wir gestehen, daß die Überlegenheit in der Zahl mit jedem Tag entscheidender wird; wir müssen also den Grundsatz, möglichst stark im entscheidenden Gefecht zu sein, allerdings jetzt etwas höher stellen, als er ehemals gestellt worden sein mag.

Der Mut und Geist des Heeres haben zu allen Zeiten die physischen Kräfte multipliziert und werden es auch ferner tun; aber wir haben in der Geschichte Zeiten, wo eine große Überlegenheit in der Einrichtung und Ausrüstung der Heere, andere, wo eine solche Überlegenheit in der Beweglichkeit ein bedeutendes moralisches Übergewicht gab; dann waren es neu aufgebrachte taktische Systeme, dann verwickelte sich die Kriegskunst in dem Bestreben durch eine kunstvolle, nach großen und umfassenden Grundsätzen eingerichtete Benutzung der Gegend, und in diesem Gebiet konnte der eine Feldherr dem anderen hin und wieder große Vorteile abgewinnen; aber dieses Bestreben selbst ist untergegangen, hat einer natürlichen und einfacheren Verfahrungsweise Platz machen müssen. - Sehen wir nun die Erfahrungen der letzten Kriege ohne vorgefaßte Meinung an, so müssen wir uns sagen, daß sich darin von jenen Erscheinungen wenig mehr gezeigt hat, sowohl überhaupt im ganzen Feldzug als in den entscheidenden Gefechten, namentlich der Hauptschlacht, wobei wir an das zweite Kapitel des vorhergehenden Buches erinnern.

Die Heere sind in unseren Tagen einander an Bewaffnung, Ausrüstung und Übung so ähnlich, daß zwischen den besten und schlechtesten kein sehr merklicher Unterschied in diesen Dingen besteht. Die Bildung in den wissenschaftlichen Korps mag noch einen merklichen Unterschied haben, aber sie führt meistens nur dahin, daß die einen die Erfinder und Anführer in den besseren Einrichtungen sind und die anderen die schnell folgenden Nachahmer. Selbst die Unterfeldherren, die Führer der Korps und Divisionen, haben überall, was ihr Handwerk betrifft, ziemlich dieselben Ansichten und Methoden gefaßt, so daß außer dem Talent des obersten Feldherrn, welches schwerlich in einem konstanten Verhältnis mit der Bildung des Volkes und Heeres zu denken, sondern ganz dem Zufall überlassen ist, nur noch die Kriegsgewohnheit ein merkliches Übergewicht geben kann. Je mehr das Gleichgewicht in allen jenen Dingen besteht, um so entscheidender wird das Machtverhältnis.

Der Charakter, welchen die heutigen Schlachten haben, ist die Folge jenes Gleichgewichts. Man lese nur unbefangen die Schlacht von Borodino, wo das erste Heer der Welt, das französische, sich mit dem russischen gemessen hat, welches doch in vielen seiner Einrichtungen und in der Bildung seiner einzelnen Glieder am weitesten zurück sein mochte. In der ganzen Schlacht kommt nicht ein einziger Zug überwiegender Kunst oder Intelligenz vor, es ist ein ruhiges Abmessen der Kräfte aneinander, und da diese fast gleich waren, so konnte am Ende nichts folgen als ein sanftes Umschlagen der Waage nach derjenigen Seite hin, wo die größere Energie der Führung und die größere Kriegsgewohnheit des Heeres war. Wir wählen diese Schlacht als Beispiel, weil in ihr ein Gleichgewicht der Zahl bestand, wie es sich in wenig anderen findet.

Wir behaupten nicht, daß alle Schlachten so sind, aber es ist der Grundton der meisten.

Bei einer Schlacht, wo sich die Kräfte so langsam und methodisch aneinander abmessen, muß der Überschuß einen viel sichereren Erfolg geben. In der Tat werden wir uns in der neuesten Kriegsgeschichte vergeblich nach Schlachten umsehen, wo man über den doppelt so starken Feind gesiegt hätte, wie früher doch öfter vorgekommen ist. Bonaparte, der größte Feldherr der neueren Zeit, hatte in seinen siegreichen Hauptschlachten, mit Ausnahme einer einzigen, der von Dresden 1813, stets eine überlegene oder wenigstens nicht merklich schwächere Armee zu vereinigen gewußt, und wo ihm dies nicht möglich war, wie bei Leipzig, Brienne, Laon und Belle-Alliance, erlag er.

Aber die absolute Stärke ist in der Strategie meistens ein Gegebenes, an welchem der Feldherr nichts mehr ändern kann. Die Folge unserer Betrachtung kann aber nicht sein, daß der Krieg mit einem merklich schwächeren Heer unmöglich sei. Der Krieg ist nicht immer ein freier Entschluß der Politik, und am wenigsten ist er es da, wo die Kräfte sehr ungleich sind; folglich läßt sich jedes Machtverhältnis im Kriege denken, und es wäre eine sonderbare Kriegstheorie, die sich da ganz lossagen wollte, wo sie am meisten gebraucht wird.

Wie wünschenswert die Theorie also eine angemessene Streitkraft finden muß, so kann sie doch auch von der unangemessensten nicht sagen, daß sie keine Anwendung mehr zuließe. Es sind hier keine Grenzen zu bestimmen.

Je schwächer die Kraft, um so kleiner müssen die Zwecke sein; ferner: je schwächer die Kraft, um so kürzer die Dauer. Nach diesen beiden Seiten hin hat also die Schwäche Raum auszuweichen, wenn wir uns so ausdrücken dürfen. Welche Veränderungen nun das Maß der Kraft in der Kriegführung hervorbringt, werden wir nur nach und nach sagen können, wie die Dinge vorkommen; hier ist es genug, den allgemeinen Gesichtspunkt angegeben zu haben; um denselben aber zu vervollständigen, wollen wir nur noch das eine hinzufügen.

Je mehr dem in einen ungleichen Kampf Hineingezogenen der Umfang der Kräfte fehlt, um so größer muß, von der Gefahr gedrängt, die innere Spannung, die Energie derselben werden. Wo das Entgegengesetzte stattfindet, wo statt einer heldenmütigen Verzweiflung eine mutlose eintritt, da hört freilich alle Kriegskunst auf.

Verbindet sich mit jener Energie der Kräfte eine weise Mäßigung in den vorgesetzten Zwecken, so entsteht jenes Spiel von glänzenden Schlägen und vorsichtiger Zurückhaltung, welches wir in Friedrichs des Großen Kriegen bewundern müssen.

Je weniger aber diese Mäßigung und Behutsamkeit vermögen, um so vorherrschender muß die Spannung und Energie der Kräfte werden. Wo das Mißverhältnis der Macht so groß ist, daß keine Beschränkung des eigenen Zieles vor dem Untergang sichert, oder die wahrscheinliche Dauer der Gefahr so groß, daß die sparsamste Verwendung der Kräfte nicht mehr ans Ziel führen kann, da wird oder soll sich die Spannung der Kräfte in einen einzigen verzweiflungsvollen Schlag zusammenziehen; der Bedrängte wird, kaum Hilfe mehr erwartend von Dingen, die ihm keine versprachen, sein ganzes und letztes Vertrauen in die moralische Überlegenheit setzen, welche die Verzweiflung jedem Mutigen gibt, er wird die höchste Kühnheit als die höchste Weisheit betrachten, allenfalls noch kecker List die Hand reichen und, wenn kein Erfolg ihm werden soll, in einem ehrenvollen Untergange das Recht zu künftiger Auferstehung finden.

Viertes Kapitel: Waffenverhältnis

Wir werden nur von den drei Hauptwaffen reden: dem Fußvolk, der Reiterei und der Artillerie.

Man verzeihe folgende Analyse, die wesentlicher in die Taktik gehört, uns aber zum bestimmteren Denken nötig ist.

Das Gefecht besteht aus zwei wesentlich zu unterscheidenden Bestandteilen: dem Vernichtungsprinzip des Feuers und dem Handgemenge oder persönlichen Gefecht. Das letztere ist wieder entweder Angriff oder Verteidigung (Angriff und Verteidigung sind hier, wo von Elementen die Rede ist, ganz absolut zu verstehen). Die Artillerie wirkt offenbar nur durch das Vernichtungsprinzip des Feuers, die Reiterei nur durch das persönliche Gefecht, das Fußvolk durch beides.

Bei dem persönlichen Gefecht ist das Wesen der Verteidigung, fest zu stehen wie eingewurzelt im Boden; das Wesen des Angriffs ist die Bewegung. Die Reiterei entbehrt die erstere Eigenschaft ganz und genießt die letztere vorzugsweise. Sie ist also nur zum Angriff geeignet. Die Infanterie hat die Eigenschaft des festen Standes vorzugsweise, entbehrt aber die Bewegung nicht ganz.

Aus dieser Verteilung der kriegerischen Elementarkräfte unter die verschiedenen Waffen ergibt sich die Überlegenheit und Allgemeinheit des Fußvolkes im Vergleich mit den beiden anderen Waffen, da sie die einzige ist, die alle drei Elementarkräfte in sich vereinigt. Ferner wird hieraus klar, wie die Verbindung der drei Waffen im Kriege zu einem vollkommeneren Gebrauche der Kräfte führt, weil man dadurch in den Stand gesetzt ist, das eine oder das andere Prinzip, welches in dem Fußvolk auf eine unveränderliche Weise verbunden ist, nach Belieben zu verstärken.

Das Vernichtungsprinzip des Feuers ist in unseren jetzigen Kriegen offenbar das überwiegend wirksame, dem ungeachtet aber ist ebenso offenbar der persönliche Kampf Mann gegen Mann als die eigentliche selbständige Basis des Gefechts anzusehen. Darum wäre also ein Heer von bloßer Artillerie im Kriege ein Unding; ein Heer von bloßer Reiterei aber wäre denkbar, nur würde es von sehr geringer intensiver Stärke sein. Nicht bloß denkbar, sondern auch schon viel stärker wäre ein Heer von bloßem Fußvolk. Die drei Waffen haben also in Beziehung auf Selbständigkeit diese Ordnung: Fußvolk, Reiterei, Artillerie.

So ist es aber nicht in Beziehung auf die Wichtigkeit, die jede hat, wenn sie in Verbindung mit den anderen ist. Da das Vernichtungsprinzip viel wirksamer ist als das Bewegungsprinzip, so würde die gänzliche Abwesenheit der Reiterei ein Heer weniger schwächen als die gänzliche Abwesenheit der Artillerie.

Ein Heer von bloßem Fußvolk und Artillerie würde zwar, gegenüber einem anderen von allen drei Waffen gebildet, sich in einer unangenehmen Lage befinden, aber wenn es, was ihm an Reiterei abgeht, durch eine verhältnismäßige Menge des Fußvolkes ersetzte, so würde es bei einem etwas anders eingerichteten Verfahren doch mit seinem taktischen Haushalt fertig werden können. Es würde sich wegen der Vorposten in ziemlicher Verlegenheit befinden, niemals den geschlagenen Feind mit großer Lebhaftigkeit verfolgen können und einen eigenen Rückzug mit mehr Mühseligkeiten und Anstrengungen machen; aber diese Schwierigkeiten würden doch wohl an und für sich nicht hinreichen, es ganz aus dem Felde zu vertreiben. - Dagegen würde ein solches Heer, gegenüber einem anderen von bloßem Fußvolk und Reiterei gebildet, eine sehr gute Rolle spielen, und wie dieses letztere gegen alle drei Waffen das Feld halten könnte, läßt sich kaum denken.

Daß diese Betrachtungen über die Wichtigkeit der einzelnen Waffen nur von der Allgemeinheit aller kriegerischen Fälle abstrahiert sind, wo ein Fall den anderen überträgt, versteht sich von selbst, und es kann also nicht die Absicht sein, die gefundene Wahrheit auf jede individuelle Lage eines einzelnen Gefechts anwenden zu wollen. Ein Bataillon auf einem Vorposten oder auf dem Rückzug wird vielleicht lieber eine Schwadron als ein paar Kanonen bei sich haben. Eine Masse Reiterei und reitende Artillerie, die den fliehenden Feind schnell verfolgen oder umgehen soll, kann gar kein Fußvolk brauchen usw.

Fassen wir das Resultat dieser Betrachtungen noch einmal zusammen, so ist es:

1. Das Fußvolk ist die selbständigste unter den Waffen.

2. Die Artillerie ist ganz unselbständig.

3. Das Fußvolk das wichtigste bei der Verbindung mehrerer.

4. Die Reiterei ist am entbehrlichsten.

5. Die Verbindung der drei gibt die größte Stärke.

Gibt die Verbindung aller drei Waffen die größte Stärke, so ist es natürlich, nach dem absolut besten Verhältnis zu fragen, und diese Frage ist fast unmöglich zu beantworten.

Wenn man den Aufwand der Kräfte, welchen die Anschaffung und Unterhaltung der verschiedenen Waffen nötig machen, untereinander vergleichen könnte und dann wieder das, was jede im Kriege leistet, so müßte man auf ein bestimmtes Resultat kommen, welches ganz abstrakt das beste Verhältnis ausdrückte. Allein dieses ist kaum mehr als ein Spiel der Vorstellungen. Schon das vordere Glied dieses Verhältnisses ist schwer zu bestimmen; der eine Faktor zwar nicht, nämlich die Kosten; aber ein anderer ist der Wert des Menschenlebens, worüber niemand gern in Zahlen etwas wird aufstellen wollen.

Auch der Umstand, daß jede der drei Waffen sich vorzugsweise auf eine andere Staatskraft gründet, das Fußvolk auf die Menge der Menschen, die Reiterei auf die Menge der Pferde, die Artillerie auf die vorhandenen Geldmittel, bringt einen fremden Bestimmungsgrund hinein, den wir auch in den großen historischen Umrissen verschiedener Völker und Zeiten deutlich vorherrschen sehen.

Wir müssen uns also, da wir aus anderen Gründen eines Maßstabes doch nicht ganz entbehren können, statt jenes ganzen ersten Gliedes des Verhältnisses nur des einen Faktors bedienen, den wir ausmitteln können, nämlich die Geldkosten. Hierüber haben wir nun mit einer für uns zureichenden Genauigkeit im allgemeinen anzugeben, daß nach den gewöhnlichen Erfahrungen eine Schwadron von 150 Pferden, ein Bataillon von 800 Mann und eine Batterie von 8 sechspfündigen Geschützen ungefähr gleich viel kosten, sowohl was die Ausrüstungs- als Unterhaltungskosten betrifft.

Was das andere Glied des Verhältnisses betrifft, nämlich, wie viel jede Waffe im Vergleich mit der anderen leistet, so ist für dasselbe eine bestimmte Größe noch viel weniger auszumachen. Möglich würde eine solche Ermittelung allenfalls noch sein, wenn es auf das bloße Vernichtungsprinzip ankäme, allein jede Waffe hat ihre eigentümliche Bestimmung, also ihren eigenen Wirkungskreis; dieser aber ist wieder nicht so bestimmt, daß er nicht größer oder kleiner sein könnte, wodurch bloß Modifikationen in der Kriegführung, aber noch keine entschiedenen Nachteile herbeigeführt werden.

Man spricht wohl oft von dem, was die Erfahrung darüber lehrt, und glaubt in der Kriegsgeschichte hinreichende Gründe zu einer Feststellung zu finden, aber jeder muß sich sagen, daß das bloße Redensarten sind, die, weil sie auf nichts Primitives und Notwendiges zurückgeführt werden, in einer untersuchenden Betrachtung keine Rücksicht verdienen.

Wenn nun auch für das beste Verhältnis der Waffen sich zwar eine bestimmte Größe denken läßt, diese aber ein nicht auszumittelndes x, ein bloßes Spiel der Vorstellungen ist, so wird man doch sagen können, welche Wirkungen es haben wird, wenn eine der Waffen in großer Überlegenheit oder in sehr geringer Zahl im Vergleich mit derselben Waffe im feindlichen Heere vorhanden ist.

Die Artillerie verstärkt das Vernichtungsprinzip des Feuers, sie ist die furchtbarste der Waffen, und ihr Mangel schwächt also die intensive Kraft des Heeres ganz vorzüglich. Von der anderen Seite ist sie die unbeweglichste der Waffen, sie macht folglich das Heer schwerfälliger; ferner bedarf sie immer eine Truppe zu ihrer Deckung, weil sie keines persönlichen Gefechts fähig ist; ist sie zu zahlreich, so daß die Deckungstruppen, welche ihr gegeben werden können, nicht überall den feindlichen Angriffsmassen gewachsen sind, so wird sie häufig verlorengehen, und dabei zeigt sich ein neuer Nachteil, daß sie nämlich von den drei Waffen diejenige ist, die der Feind in ihren Hauptteilen, nämlich Geschütz und Fahrzeug, sehr bald gegen uns gebrauchen kann.

Die Reiterei vermehrt das Prinzip der Bewegung in einem Heer. Ist sie in einem zu geringen Maße vorhanden, so schwächt das den raschen Brand des kriegerischen Elementes dadurch, daß alles langsamer (zu Fuß) gemacht wird, daß alles vorsichtiger eingerichtet werden muß; die reiche Saat des Sieges wird nicht mehr mit der Sense, sondern mit der Sichel geschnitten.

Ein Übermaß der Reiterei kann freilich niemals als eine unmittelbare Schwächung der Streitkräfte, als ein inneres Mißverhältnis angesehen werden, aber freilich mittelbar wegen des schwierigen Unterhaltes, und wenn man bedenkt, daß man statt 10000 Mann Reiterei, die man zu viel hat, 50000 Mann Fußvolk haben könnte.

Diese Eigentümlichkeiten, welche aus dem Vorherrschen einer Waffe entspringen, sind der Kriegskunst im engeren Sinn um so wichtiger, da sie den Gebrauch der vorhandenen Streitkräfte lehrt, und mit diesen Streitkräften dem Feldherrn auch gewöhnlich das Maß der einzelnen Waffen zugemessen wird, ohne daß er viel dabei zu bestimmen hätte.

Wollen wir uns also den Charakter einer Kriegsart modifiziert durch eine vorherrschende Waffe denken, so ist es auf folgende Weise:

Ein Übermaß von Artillerie muß zu einem mehr defensiven und passiven Charakter der Unternehmungen führen; man wird sein Heil mehr in starken Stellungen, großen Abschnitten des Bodens, selbst in Gebirgsstellungen suchen, damit die Hindernisse des Bodens die Verteidigung und den Schutz der zahlreichen Artillerie übernehmen, und die feindlichen Kräfte selbst kommen, sich ihre Vernichtung zu holen. Der ganze Krieg wird in einem ernsten, förmlichen Menuettschritt geführt werden.

Ein Mangel an Artillerie wird umgekehrt uns vermögen, das Angriffs-, das aktive, das Bewegungsprinzip vorwalten zu lassen. Märsche, Mühen, Anstrengungen werden für uns zu eigentümlichen Waffen; so wird der Krieg mannigfaltiger, lebendiger, krauser; die großen Begebenheiten werden in Scheidemünze umgesetzt.

Bei einer sehr zahlreichen Reiterei werden wir die weiten Ebenen suchen und die großen Bewegungen lieben. In größerer Entfernung vom Feinde werden wir größere Ruhe und Bequemlichkeit genießen, ohne sie ihm zu gönnen. Wir werden kühnere Umgehungen und überhaupt dreistere Bewegungen wagen, weil wir über den Raum gebieten. Insoweit Diversionen und Invasionen zu den wahren Hilfsmitteln des Krieges gehören, werden wir uns ihrer mit Leichtigkeit bedienen können.

Ein entschiedener Mangel an Reiterei vermindert die Bewegungskraft des Heeres, ohne sein Vernichtungsprinzip zu verstärken, wie das Übermaß der Artillerie tut. Vorsicht und Methode sind dann der Hauptcharakter des Krieges. Dem Feinde immer unter den Augen bleiben, um ihn immer unter den Augen zu haben, keine schnellen, noch weniger übereilte Bewegungen, überall ein langsames Hinschieben gut gesammelter Massen, Vorliebe zur Verteidigung und zur durchschnittenen Gegend und, wo der Angriff sein muß, die kürzeste Richtung auf den Schwerpunkt der feindlichen Armee sind die natürlichen Tendenzen in diesem Falle.

Diese verschiedenen Richtungen, welche die Kriegsart nach einer vorherrschenden Waffe annimmt, werden selten so umfassend und durchgreifend sein, daß sie allein oder vorzüglich die Richtung des ganzen Unternehmens abgeben. Ob man den strategischen Angriff oder die Verteidigung, dieses oder jenes Kriegstheater, eine Hauptschlacht oder eines der anderen Zerstörungsmittel wählen soll, wird wohl durch andere wesentlichere Umstände bestimmt werden, wenigstens ist sehr zu befürchten, daß, wenn dies nicht der Fall sein sollte, man eine Nebensache für die Hauptsache genommen hätte. Aber auch wenn dem so ist, wenn die Hauptfragen bereits aus anderen Gründen entschieden worden sind, bleibt immer noch ein gewisser Spielraum für den Einfluß der vorherrschenden Waffenart, denn man kann im Angriff vorsichtig und methodisch, in der Verteidigung kühn und unternehmend sein usw. durch alle verschiedenen Stationen und Nuancen kriegerischen Lebens.

Umgekehrt kann die Natur des Krieges auf das Verhältnis der Waffen einen merklichen Einfluß haben.

Erstens: Ein auf Landwehr und Landsturm gestützter Volkskrieg muß natürlich eine große Menge Fußvolk aufstellen; denn in einem solchen fehlt es mehr an Ausrüstungsmitteln als an Menschen, und da die Ausrüstung ohnehin dabei noch auf das Allernotwendigste beschränkt wird, so kann man leicht denken, daß für eine Batterie von acht Geschützen nicht ein Bataillon, sondern zwei oder drei gestellt werden könnten.

Zweitens: Kann ein Schwacher gegen einen Mächtigen nicht zur Volksbewaffnung oder einem derselben nahe kommenden Landwehrstande seine Zuflucht nehmen, so ist allerdings die Vermehrung der Artillerie das kürzeste Mittel, seine schwache Streitkraft dem Gleichgewicht zu nähern; denn er gewinnt die Menschen und erhöht das wesentlichste Prinzip seiner Streitkraft, nämlich das Vernichtungsprinzip. Ohnehin wird er meistens auf ein kleines Kriegstheater beschränkt sein, und diese Waffe sich also mehr für ihn eignen. Friedrich der Große ergriff dies Mittel in den späteren Jahren des Siebenjährigen Krieges.

Drittens: Die Reiterei ist die Waffe der Bewegung und großen Entscheidungen; ihr Vorherrschen über das gewöhnliche Verhältnis ist also wichtig bei sehr ausgedehnten Räumen, großen Hin- und Herzügen und der Absicht großer entscheidender Schläge. Bonaparte gibt ein Beispiel davon.

Daß Angriff und Verteidigung nicht eigentlich an sich einen Einfluß darauf haben können, wird erst deutlich werden können, wenn wir von diesen beiden Formen der kriegerischen Tätigkeit reden; vorläufig wollen wir nur bemerken, daß beide, der Angreifende wie der Verteidiger, in der Regel dieselben Räume durchziehen und auch, wenigstens in vielen Fällen, dieselben entscheidenden Absichten haben können. Wir erinnern an den Feldzug von 1812.

Gewöhnlich ist man der Meinung, daß die Reiterei im Verhältnis zum Fußvolk im Mittelalter sehr viel zahlreicher gewesen sei und nach und nach bis auf unsere Tage abgenommen habe. Dies ist doch wenigstens zum Teil ein Mißverständnis. Das Verhältnis der Reiterei, der Zahl nach, war im Durchschnitt vielleicht nicht bedeutend größer, wie man sich wohl überzeugen wird, wenn man die genaueren Angaben der Streitkräfte durch das Mittelalter verfolgt. Man denke nur an die Massen des Fußvolkes, welche die Heere der Kreuzfahrer ausmachten oder den deutschen Kaisern auf ihren Römerzügen folgten. Aber es war die Wichtigkeit der Reiterei, welche viel größer war. Sie war die stärkere Waffe, aus dem besten Teile des Volkes zusammengesetzt, und war dies so sehr, daß sie, obgleich immer sehr viel schwächer, doch immer als die Hauptsache angesehen, das Fußvolk wenig gerechnet, kaum genannt wurde; daher denn auch die Meinung entstanden ist, als habe es damals dessen sehr wenig gegeben. Freilich kam bei kleineren Kriegsanfällen im Inneren von Deutschland, Frankreich und Italien der Fall öfter als jetzt vor, daß das ganze kleine Heer aus bloßer Reiterei bestand; da sie die Hauptwaffe war, so hatte das nichts Widersprechendes; allein diese Fälle können nicht entscheiden, wenn wir die Allgemeinheit im Auge haben, wo sie von den größeren Heeren reichlich übertragen werden. Nur als alle Lehnsverbindlichkeit in der Kriegführung aufgehört hatte, die Kriege durch geworbene, gemietete und besoldete Soldaten geführt wurden, also auf Geld und Werbung sich stützten, also in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und der Kriege unter Ludwig XIV., da hörte dieser Gebrauch einer großen Masse weniger nützlichen Fußvolkes auf, und man würde vielleicht ganz auf die Reiterei zurückgekommen sein, wenn das Fußvolk nicht schon durch eine merkliche Ausbildung des Feuergewehres an Wichtigkeit zugenommen und sich dadurch einigermaßen in seiner überlegenen Zahl behauptet hätte; das Verhältnis desselben zur Reiterei war in dieser Periode, wenn es schwach war, wie 1 : 1, wenn es zahlreich war, wie 3 : 1.

Von jener Wichtigkeit hat die Reiterei seitdem immer mehr eingebüßt, je weiter die Ausbildung der Feuerwaffen gegangen ist. Dies ist schon an sich verständlich genug, nur muß diese Ausbildung nicht bloß auf die Waffe selbst und die Kunstfertigkeit ihres Gebrauches bezogen werden, sondern auch auf den Gebrauch der damit ausgerüsteten Heeresteile. In der Mollwitzer Schlacht hatten es die Preußen auf den größten Grad der Feuerfertigkeit gebracht, der auch seitdem in diesem Sinn nicht weiter hat getrieben werden können. Dagegen ist der Gebrauch des Fußvolkes in durchschnittener Gegend und des Feuergewehres im Schützengefecht erst seitdem aufgekommen und all ein großer Fortschritt in dem Vernichtungsakt zu betrachten.

Unsere Meinung ist also, daß das Verhältnis der Reiterei sich der Zahl nach wenig, der Wichtigkeit nach aber sehr verändert hat. Dies scheint ein Widerspruch zu sein, ist es aber in der Tat nicht. Das Fußvolk des Mittelalters nämlich war, wenn es sich in großer Zahl beim Heere befand, nicht durch sein inneres Verhältnis zur Reiterei auf diese Zahl gekommen, sondern weil alles, was man nicht zu der viel kostbareren Reiterei stellen konnte, als Fußvolk gestellt wurde; dieses Fußvolk war also ein bloßer Behelf, und die Reiterei hätte, wenn ihre Zahl bloß nach ihrem inneren Wert bestimmt werden sollte, nie zu stark sein können. So ist zu begreifen, wie trotz der stets verminderten Wichtigkeit die Reiterei vielleicht immer noch Bedeutung genug hat, um sich auf dem Punkt des Zahlenverhältnisses zu erhalten, welchen sie bisher so dauernd behauptet hat.

In der Tat ist es bemerkenswert, daß wenigstens seit dem Österreichischen Sukzessionskriege das Verhältnis der Reiterei zum Fußvolk sich gar nicht verändert und immer zwischen einem Vierteil, einem Fünfteil und einem Sechsteil desselben geschwebt hat; dies scheint anzudeuten, daß in demselben das natürliche Bedürfnis gerade befriedigt sei, und sich also darin diejenigen Größen kundtäten, die unmittelbar nicht auszumitteln sind. Wir zweifeln doch, daß dem so sei, und finden, daß die anderweitigen Veranlassungen zu einer zahlreichen Reiterei in den namhaftesten Fällen offenbar am Tage liegen.

Rußland und Österreich sind Staaten, welche darauf hingewiesen sind, weil sie noch Bruchstücke tatarischer Einrichtung in ihrem Staatsverband haben. Bonaparte konnte für seine Zwecke nie stark genug sein; hatte er nun die Konskription benutzt, soviel immer möglich war, so blieb ihm nur noch die Verstärkung seines Heeres durch Vermehrung der Hilfswaffen, welche mehr auf das Geld als auf Menschenverbrauch gegründet sind. Außerdem ist nicht zu verkennen, daß bei dem ungeheuren Umfange seiner kriegerischen Züge die Reiterei einen höheren Wert haben mußte als in gewöhnlichen Fällen.

Friedrich der Große rechnete bekanntlich sehr ängstlich jeden Rekruten nach, den er seinem Lande ersparen konnte; es war seine Hauptindustrie, sein Heer soviel als möglich auf Kosten des Auslandes stark zu erhalten. Daß er dazu alle Ursache hatte, begreift man, wenn man bedenkt, daß ihm von der kleinen Ländermasse noch Preußen und die westfälischen Provinzen entzogen waren.

Die Reiterei, außerdem, daß sie überhaupt weniger Menschen erfordert, ergänzte sich auch viel leichter durch Werbung; dazu kam sein durchaus auf Überlegenheit in der Bewegung gegründetes Kriegssystem, und so geschah es, daß sich seine Reiterei, während sein Fußvolk abnahm, bis Ende des Siebenjährigen Krieges hin immer noch vermehrte; doch betrug sie selbst am Ende desselben schwerlich über ein Vierteil der im Felde stehenden Infanterie.

Es fehlte in der eben bezeichneten Epoche auch nicht an Beispielen, daß Armeen mit ungewöhnlich schwacher Reiterei aufgetreten sind und doch den Sieg erhalten haben. Das namhafteste ist die Schlacht von Groß-Görschen. Bonaparte war, wenn wir bloß auf die Divisionen sehen, die teil an dem Gefecht genommen, 100000 Mann stark, wobei 5000 Mann Reiterei und 90000 Mann Fußvolk; die Verbündeten 70000 Mann, wobei 25000 Mann Reiterei und 40000 Mann Fußvolk. Bonaparte hatte also für 20000 Mann Reiterei, welche ihm abgingen, nur 50000 Mann Fußvolk mehr, er hätte aber 100000 dafür haben sollen. Hat er die Schlacht mit jenem Übergewicht an Fußvolk gewonnen, so kann man wohl fragen, ob er sie, wenn das Verhältnis 140000 zu 40000 gewesen wäre, überhaupt möglicherweise hätte verlieren können. Freilich zeigte sich gleich nach der Schlacht der große Nutzen unserer Überlegenheit an Reiterei, denn Bonaparte erntete fast keine Siegestrophäe. Der Gewinn der Schlacht ist also nicht alles - aber bleibt es nicht immer die Hauptsache?

Wenn wir solche Betrachtungen anstellen, so haben wir Mühe, zu glauben, daß das Verhältnis, auf welches sich Reiterei und Fußvolk seit 80 Jahren gestellt und erhalten haben, das natürliche, bloß aus ihrem absoluten Werte hervorgehende sei; wir sind vielmehr der Meinung, daß nach manchem Oszillieren das Verhältnis dieser beiden Waffen sich ferner in dem bisherigen Sinn verändern und die konstante Zahl der Reiterei am Ende bedeutend geringer werden wird. –

Was die Artillerie betrifft, so ist die Anzahl der Geschütze natürlich seit ihrer Erfindung und mit ihrer Erleichterung und Vervollkommnung gestiegen; doch erhält auch sie sich seit Friedrich dem Großen ziemlich auf demselben Verhältnis von 2 bis 3 Geschützen auf 1000 Mann, wohlverstanden bei Eröffnung des Feldzuges, denn im Laufe desselben schmilzt die Artillerie nicht so zusammen wie das Fußvolk, daher ist das Verhältnis am Ende des Feldzuges merklich stärker und kann zu 3, 4 bis 5 Geschützen auf 1000 Mann angenommen werden. Ob dies Verhältnis das natürliche ist, oder die Vermehrung der Geschütze noch weitergehen kann, ohne der ganzen Kriegführung zum Nachteil zu gereichen, muß der Erfahrung überlassen bleiben. Fassen wir jetzt noch ein Hauptresultat unserer ganzen Betrachtung auf, so ist es:

1. Daß das Fußvolk die Hauptwaffe ist, welcher die anderen beiden zugeordnet sind.

2. Daß man durch einen größeren Aufwand von Kunst und Tätigkeit in der Führung des Krieges den Mangel beider einigermaßen ersetzen kann, vorausgesetzt, daß man dafür um so viel stärker an Fußvolk sei, und daß man dies um so eher könne, je besser dieses Fußvolk ist.

3. Daß die Artillerie schwerer zu entbehren ist als die Reiterei, weil sie das Hauptvernichtungsprinzip und ihr Gefecht mit dem des Fußvolkes mehr verschmolzen ist.

4. Daß überhaupt, da die Artillerie im Vernichtungsakt die stärkste Waffe ist, und die Reiterei die schwächste, man immer fragen muß: wieviel Artillerie kann man ohne Nachteil haben, und mit wie wenig Reiterei kann man sich behelfen?

Fünftes Kapitel: Schlachtordnung des Heeres

Die Schlachtordnung ist diejenige Einteilung und Zusammensetzung der Waffen zu einzelnen Gliedern des Ganzen und diejenige Form ihrer Aufstellung, welche für den ganzen Feldzug oder Krieg die Norm bleiben soll.

Sie besteht also gewissermaßen aus einem arithmetischen und einem geometrischen Element, der Einteilung und der Aufstellung. Die erstere geht von der festen Friedensorganisation des Heeres aus, nimmt gewisse Teile wie Bataillone, Schwadronen, Regimenter und Batterien als Einheiten an und bildet davon die größeren Glieder bis zum Ganzen hinauf nach dem Bedürfnis der herrschenden Umstände. Auf eben die Art geht die Aufstellung von der Elementartaktik aus, welche dem Heere im Frieden gelehrt und eingeübt ist, und die als eine im Augenblick des Krieges nicht mehr wesentlich zu verändernde Eigenschaft desselben angesehen werden muß, knüpft daran die Bedingungen, welche der Gebrauch der Truppen im Kriege und im großen erfordert, und bestimmt so im allgemeinen die Norm, nach welcher das Heer zum Gefecht aufgestellt werden soll.

Dies ist überall der Fall gewesen, wo große Heere ins Feld gerückt sind, und es gab sogar Zeiten, wo diese Form als das wesentlichste Stück des Gefechtes angesehen wurde.

Als im 17. und 18. Jahrhundert die Ausbildung des Feuergewehres das Fußvolk in einem so hohen Grade vermehren und in so langen dünnen Linien auseinanderziehen ließ, wurde die Schlachtordnung dadurch zwar einfacher, aber zugleich schwieriger und künstlicher in der Ausführung, und da man nun nichts weiter mit der Reiterei anzufangen wußte, als sie auf den Flügeln zu verteilen, wo nicht geschossen wurde und wo Raum zum Reiten war, so machte die Schlachtordnung aus dem Heere jedesmal ein geschlossenes und unteilbares Ganze. Schnitt man eine solche Armee in der Mitte entzwei, so war sie wie ein durchgeschnittener Regenwurm; die Flügel hatten noch Leben und Beweglichkeit, aber sie hatten ihre natürlichen Funktionen verloren. Die Streitkraft lag also in einer Art von Bann der Einheit, und es war jedesmal eine kleine Organisation und Desorganisation nötig, wenn Teile davon getrennt aufgestellt werden sollten. Die Märsche, welche das Ganze machen mußte, waren ein Zustand, in welchem es sich gewissermaßen außer dem Gesetz befand. War der Feind in der Nähe, so mußten sie mit der höchsten Künstlichkeit angeordnet werden, um das eine Treffen oder den einen Flügel immer in einer erträglichen Entfernung von dem anderen über Stock und Block wegzuführen; sie mußten dem Feinde beständig abgestohlen werden, und nur eins machte, daß man diesen beständigen Diebstahl ungestraft begehen durfte, nämlich, daß der Feind in eben diesem Banne lag.

Als man daher in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf die Idee kam, daß Reiterei wohl ebensogut die Flügel schützen könne, wenn sie hinter der Armee als in ihrer Verlängerung stände, daß sie überdem wohl noch zu manchem anderen gebraucht werden könne, als sich mit der feindlichen allein zu duellieren, da hatte man schon deswegen einen großen Schritt vorwärts getan, weil nun die Armee in ihrer Hauptausdehnung, welches immer die Breite ihrer Aufstellung ist, aus lauter homogenen Gliedern bestand, so daß man sie in eine beliebige Anzahl Stücke zerlegen konnte und lauter Stücke erhielt, die sich untereinander und dem Ganzen ähnlich waren. Damit nun hörte sie auf, ein einziges Stück zu sein und wurde ein viel gegliedertes Ganze, folglich biegsam und gelenkig. Die Teile konnten vom Ganzen ohne Umstände getrennt und wieder an dasselbe angereiht werden, es blieb immer dieselbe Schlachtordnung. - So entstanden die Korps von allen Waffen, d. h. so wurden sie möglich, denn das Bedürfnis dazu war wohl viel früher gefühlt worden.

Daß dies alles von der Schlacht ausgeht, ist sehr natürlich. Die Schlacht war sonst der ganze Krieg und wird immer das Hauptstück desselben bleiben, außerdem aber gehört die Schlachtordnung überhaupt mehr der Taktik als der Strategie an, und wir haben durch diese Herleitung nur zeigen wollen, wie schon die Taktik durch die Anordnung des Ganzen in kleinere Ganze der Strategie vorgearbeitet hat.

Je größer die Heere geworden, je mehr sie auf weiten Räumen verteilt sind, je mannigfaltiger die Wirksamkeiten der einzelnen Teile ineinander greifen, um so mehr Raum gewann die Strategie, und so hat denn auch die Schlachtordnung in dem Sinn unserer Definition mit der Strategie in eine Art Wechselwirkung treten müssen, die sich hauptsächlich an den Endpunkten zeigt, wo Taktik und Strategie sich berühren, nämlich in den Momenten, wo die allgemeine Verteilung der Streitkräfte in die besonderen Anordnungen des Gefechts übergeht.

Wir wenden uns nun zu den drei Punkten der Einteilung, Waffenverbindung und Aufstellung unter dem strategischen Gesichtspunkt.

1. Einteilung. Strategisch sollte man niemals fragen, wie stark eine Division oder ein Korps sein, sondern wieviel Korps oder Divisionen eine Armee haben müsse. Es gibt nichts Ungeschickteres als eine Armee, die in drei Teile geteilt ist, es sei denn eine, die gar nur in zwei geteilt wäre, wobei der Oberfeldherr fast neutralisiert sein muß.

Die Stärke der großen und kleinen Korps, sei es aus Gründen der Elementartaktik oder der höheren, zu bestimmen, läßt der Willkür ein unglaublich weites Feld, und der Himmel weiß, welche Räsonnements schon mit diesem Spielraum gespielt haben. Dagegen ist das Bedürfnis einer gewissen Anzahl Teile für ein selbständiges Ganze eine ebenso klare als bestimmte Sache, und dieser Gedanke gibt daher für die größeren Abteilungen echt strategische Bestimmungsgründe ihrer Anzahl, folglich ihrer Stärke, während die kleinen, wie Kompagnien, Bataillone usw., der Taktik überlassen bleiben.

Das kleinste isoliert stehende Ganze läßt sich kaum denken, ohne daß man drei Teile an ihm unterscheide, damit ein Teil vorgeschoben und einer zurückgestellt wirken könne; daß vier noch bequemer sind, ergibt sich schon, wenn man bedenkt, daß der mittelste Teil als die Hauptmacht doch stärker sein muß als jeder der beiden anderen; so kann man vorschreiten bis zu acht, welches uns die passendste Zahl für eine Armee scheint, wenn man als konstantes Bedürfnis annimmt einen Teil zur Avantgarde, drei bei der Hauptmacht, nämlich als rechter Flügel, Mitte und linker Flügel, zwei zum Rückhalt, einen zum Entsenden rechts und einen zum Entsenden links. Ohne pedantisch auf diese Zahlen und Figuren einen großen Wert zu legen, glauben wir allerdings, daß sie die gewöhnlichste immer wiederkehrende strategische Aufstellung ausdrücken und deswegen eine bequeme Einteilung abgeben.

Freilich scheint es die Armeeführung (und die Führung jedes Ganzen) ungemein zu erleichtern, nicht mehr als drei oder vier Männern zu befehlen, allein diese Bequemlichkeit büßt der Feldherr auf eine doppelte Art sehr teuer. Erstlich geht von der Schnelligkeit, Kraft und Präzision des Befehles um so mehr verloren, je länger die Stufenleiter ist, die er hinabsteigen muß, welches der Fall ist, wenn Korpskommandanten sich zwischen ihm und den Divisionsbefehlshabern befinden; zweitens verliert er überhaupt an eigentlicher Macht und Wirksamkeit, je größer die Wirkungskreise seiner unmittelbaren Untergebenen sind. Ein Feldherr, der über 100000 Mann vermittelst 8 Divisionen befiehlt, übt eine intensiv größere Macht aus, als wenn diese 100000 Mann nur in drei Divisionen geteilt wären. Mancherlei Gründe sind die Ursache davon, der wichtigste aber ist, daß ein Befehlshaber an allen Teilen seines Korps eine Art Eigentumsrecht zu haben glaubt und sich fast jedesmal widersetzt, wenn ihm ein Teil davon auf kürzere oder längere Zeit entzogen werden soll. Einige Kriegserfahrungen werden jedem dies erklärlich machen.

Von der anderen Seite darf man aber die Anzahl der Teile nicht zu groß werden lassen, wenn nicht Unordnungen die Folge sein sollen. Es ist schon schwer, von einem Armeehauptquartier aus acht Teile zu leiten, und höher wie zehn kann man die Zahl wohl nicht gehen lassen. Bei einer Division aber, wo die Mittel, die Befehle in Wirksamkeit zu setzen, viel geringer sind, müssen die kleineren Normalzahlen vier, höchstens fünf als die passenderen angesehen werden.

Reicht man mit diesen Faktoren fünf und zehn nicht aus, d. h. würden die Brigaden zu stark, so müßten Korpskommandos eingeschoben werden; man muß aber bedenken, daß dadurch eine neue Potenz entsteht, welche alle übrigen Faktoren auf einmal sehr heruntersetzt.

Was ist denn nun aber eine zu starke Brigade? Die Gewohnheit ist, sie zwischen 2 und 5000 Mann zu machen; und zwei Gründe scheinen diese letztere Grenze einigermaßen zu bewachen; der erste, daß man sich eine Brigade als eine Abteilung denkt, die von einem Manne unmittelbar, nämlich durch den Bereich seiner Stimme geführt werden könne, zweitens, daß man eine größere Infanteriemasse nicht ohne Artillerie lassen will und durch diese erste Waffenverbindung von selbst eine besondere Abteilung erhält.

Wir wollen uns in diesen taktischen Spitzfindigkeiten nicht verlieren und wollen uns auch nicht auf die Streitfragen einlassen, wann und in welchen Verhältnissen die Verbindung aller drei Waffen statthaben soll, ob bei Divisionen, die 8 bis 12000 Mann, oder bei Korps, die 20 bis 30000 sind. Nur die Behauptung werden die entschiedensten Gegner dieser Verbindung nicht verargen, daß nur diese Verbindung die Selbständigkeit einer Abteilung ausmacht, und daß also für solche, die bestimmt sind, sich im Kriege häufig isoliert zu finden, sie wenigstens sehr wünschenswert sei.

Eine Armee von 200000 Mann in zehn Divisionen, die Divisionen in fünf Brigaden geteilt, würden diese 4000 Mann stark lassen. Wir sehen hier nirgends ein Mißverhältnis. Freilich kann man diese Armee auch in 5 Korps, das Korps in 4 Divisionen, die Division in 4 Brigaden teilen, welches diese 2500 Mann stark läßt; doch scheint uns die erste Einteilung, abstrakt betrachtet, vorzüglicher, denn außerdem, daß man bei der anderen eine Ordnungsstufe mehr hat, sind fünf Glieder für eine Armee zu wenig; sie ist damit ungelenk, vier für ein Korps sind es wieder, und 2500 Mann ist eine schwache Brigade, deren man auf die Weise 80 hat, statt daß die erste Einteilung nur 50 gab, also einfacher war. Alle diese Vorteile gibt man auf, bloß um nur halb sovielen Generalen Befehle zu erteilen. Daß bei kleineren Armeen die Einteilung von Korps noch unpassender ist, ergibt sich von selbst.

Dies ist die abstrakte Ansicht von der Sache. Der individuelle Fall kann Gründe mit sich führen, die anders entscheiden. Schon muß man bekennen, daß, wenn 8 oder 10 Divisionen sich vereinigt in der Ebene noch regieren lassen, dies in ausgedehnten Gebirgsstellungen vielleicht unmöglich werden könnte. Ein großer Strom, der die Armee halbiert, macht einen Befehlshaber über die eine Hälfte unerläßlich; kurz, es gibt hundert der entscheidendsten Lokal- und individuellen Umstände, denen die abstrakten Regeln weichen müssen.

Daß aber diese abstrakten Gründe doch am häufigsten gebraucht und seltener von jenen verdrängt werden, als man vielleicht glauben sollte, lehrt die Erfahrung.

Wir erlauben uns, den Umfang dieser Betrachtung noch mit einem einfachen Umriß deutlich zu machen und wollen dazu die einzelnen Schwerpunkte nebeneinander aufstellen.

Indem wir unter Gliedern eines Ganzen nur die verstehen, welche die erste Teilung gibt, also die unmittelbaren, sagen wir:

1. Hat ein Ganzes zu wenig Glieder, so wird es ungelenk.

2. Sind die Glieder eines Ganzen zu groß, so schwächt dies die Macht des obersten Willens.

3. Mit jeder neuen Stufenfolge des Befehls wird die Kraft desselben auf zwei anderen Wegen geschwächt, einmal durch den Verlust, den sie beim neuen Übergang macht, zweitens durch die längere Zeit, die der Befehl braucht.

Alles dies führt dahin, die Zahl der nebeneinander bestehenden Glieder so groß und die Stufenreihe so klein als möglich zu machen, und diesem steht nur entgegen, daß man bei Armeen nicht mehr als 8 bis 10 Glieder und bei kleineren Abteilungen nicht mehr als 4 bis 6 bequem regieren kann.

2. Verbindung der Waffen. Für die Strategie ist die Verbindung der Waffen in der Schlachtordnung nur für die Teile wichtig, die nach der gewöhnlichen Ordnung der Dinge oft zu einer getrennten Aufstellung kommen, wo sie gezwungen werden können, ein selbständiges Gefecht zu liefern. Nun liegt es in der Natur der Sache, daß die Glieder der ersten Ordnung, und hauptsächlich nur diese, zu einer getrennten Aufstellung bestimmt sind, weil, wie wir das bei einer anderen Gelegenheit sehen werden, die getrennten Aufstellungen meistens von dem Begriff und den Bedürfnissen eines Ganzen ausgehen.

Es würde daher, strenge genommen, die Strategie die bleibende Verbindung der Waffen nur für die Korps oder, wo diese nicht stattfinden, für die Divisionen fordern und sich bei den Gliedern einer niedrigeren Ordnung die augenblickliche Verbindung nach dem Bedürfnis gefallen lassen.

Man sieht aber wohl, daß die Korps, wenn sie beträchtlich, d. h. 30 bis 40000 Mann stark werden, sich selbst selten in dem Fall einer ungeteilten Aufstellung befinden werden. Bei so starken Korps ist also eine Verbindung der Waffen in den Divisionen nötig. Wer den Aufenthalt für nichts halten sollte, den bei eiligen Entsendungen es macht, wenn der Infanterie erst ein Teil Kavallerie von einem anderen, vielleicht ziemlich entfernten Punkt zugewiesen werden soll, von den Verwirrungen, die dabei vorkommen, gar nicht zu reden, dem müßte man geradezu alle Kriegserfahrung absprechen.

Die genauere Verbindung der drei Waffen, wie weit sie gehen, wie innig sie stattfinden, welche Verhältnisse beobachtet werden, welche Reserve von jeder übrig bleiben soll - alles das sind rein taktische Gegenstände.

3. Die Aufstellung. Die Bestimmung, nach welchen räumlichen Verhältnissen untereinander in der Schlachtordnung die Teile eines Heeres aufgestellt werden sollen, ist gleichfalls völlig taktisch und bezieht sich allein auf die Schlacht. Zwar gibt es natürlich eine strategische Aufstellung, allein sie hängt fast allein von den Bestimmungen und Bedürfnissen des Augenblicks ab, und dasjenige, was darin rationell ist, liegt nicht mit in der Bedeutung, welche das Wort Schlachtordnung hat; wir werden es daher an einem anderen Ort unter dem Titel Aufstellung des Heeres angeben.

Die Schlachtordnung des Heeres ist also die Einteilung und Aufstellung desselben in einer zur Schlachtwahl geordneten Masse. Die Teile sind so gefügt, daß sowohl die taktischen als strategischen Forderungen des Augenblicks durch Verwendung einzelner aus dieser Masse herausgenommener Teile leicht befriedigt werden können. Hört das Bedürfnis des Augenblicks auf, so treten die Teile an ihre Stelle zurück, und so wird die Schlachtordnung die erste Stufe und Hauptgrundlage jenes heilsamen Methodismus, der im Kriege wie ein Pendelschlag das Werk regelt, und wovon wir im 4. Kapitel des 2. Buches schon gesprochen haben.

Sechstes Kapitel: Allgemeine Aufstellung des Heeres

Von dem Augenblick der ersten Versammlung der Streitkräfte bis zu dem der reifen Entscheidung, wo die Strategie das Heer auf den entscheidenden Punkt geführt, die Taktik jedem einzelnen Teil seine Stelle und Rolle angewiesen hat, findet sich in den meisten Fällen ein großer Zwischenraum; ebenso von einer entscheidenden Katastrophe zur anderen.

Früher gehörten diese Zwischenräume gewissermaßen gar nicht zum Kriege. Man sehe nur, wie Luxemburg sich lagerte und wie er marschierte. Wir erinnern an diesen Feldherrn, weil er wegen seiner Lager und Märsche berühmt ist, also für den Repräsentanten seiner Zeit gelten kann, und wir aus der Histoire de la Flandre militaire mehr davon wissen als von anderen Feldherren jener Zeit.

Das Lager wurde regelmäßig mit dem Rücken dicht an einem Fluß oder Morast oder tiefen Taleinschnitt genommen, wie man es jetzt für Wahnsinn halten würde. Die Richtung, in der sich der Feind befand, bestimmte dabei so wenig die Fronte, daß die Fälle sehr häufig sind, wo der Rücken dem Feinde, die Fronte dem eigenen Lande zugekehrt war. Dieses jetzt unerhörte Verfahren ist durchaus nur zu begreifen, wenn man bei der Wahl des Lagers die Bequemlichkeit als die Haupt-, ja fast als die einzige Rücksicht betrachtet, also den Zustand im Lager wie einen Zustand außer dem kriegerischen Akt, gewissermaßen hinter der Kulisse, wo man sich nicht geniert. Daß man dabei den Rücken immer dicht an ein Hindernis lehnte, muß für die einzige Sicherheitsmaßregel gelten, die man dabei nahm, freilich im Sinn der damaligen Kriegführung; denn diese Maßregel paßte durchaus nicht auf die Möglichkeit, in einem solchen Lager zu einem Gefecht gezwungen zu werden. Dies war aber auch wenig zu fürchten, weil die Gefechte fast auf einer Art gegenseitigen Übereinkommens beruhten, wie ein Duell, wo man sich auf ein bequemes Rendezvous begibt. Da die Heere teils wegen der zahlreichen Reiterei, welche am Abend ihres Glanzes, besonders bei den Franzosen, noch als die Hauptwaffe betrachtet wurde, teils wegen ihrer unbehilflichen Schlachtordnung nicht in jeder Gegend fechten konnten, so befand man sich in einer durchschnittenen Gegend fast wie im Schutz neutralen Gebietes, und da man von den durchschnittenen Teilen der Gegend selbst wenig Gebrauch machen konnte, so ging man dem zur Schlacht anrückenden Feind lieber entgegen. Wir wissen wohl, daß gerade Luxemburgs Schlachten von Fleurus, Steenkerke und Neerwinden in einem anderen Geiste sind; aber dieser Geist löste sich eben damals unter diesem großen Feldherrn von der früheren Methode, und er hatte noch nicht auf die Methode der Lagerung zurückgewirkt. Die Veränderungen in der Kriegskunst gehen nämlich immer von den entscheidenden Handlungen aus, und durch diese werden nach und nach die übrigen modifiziert. Wie wenig man den Zustand im Lager für den eigentlichen Kriegszustand hielt, beweist der Ausdruck: il va à la guerre, welcher für den Parteigänger üblich war, der auszog, den Feind zu beobachten.

Nicht viel anders war es mit den Märschen, wo sich die Artillerie vom Heer ganz absonderte, um sicherere und bessere Wege zu gehen, und die Flügel der Reiterei gewöhnlich die Plätze wechselten, damit ihnen ja die Ehre des rechten Flügels abwechselnd zuteil werde.

Jetzt, d. h. hauptsächlich seit den Schlesischen Kriegen, ist der Zustand außer dem Gefecht so sehr mit den Beziehungen des Gefechts durchdrungen, daß sie in der allerinnigsten Wechselwirkung stehen, so daß einer ohne den anderen gar nicht mehr vollständig gedacht werden kann. War sonst im Feldzuge das Gefecht die eigentliche Waffe und der Zustand außer dem Gefecht nur das Heft, jenes die stählerne Klinge, dieses der hölzerne angeleimte Stiel, das Ganze also aus heterogenen Teilen zusammengesetzt: so ist jetzt das Gefecht als die Schneide, der Zustand außer dem Gefecht als der Rücken der Waffe, das Ganze als ein wohl zusammengeschweißtes Metall zu betrachten, in dem man nicht mehr unterscheidet, wo der Stahl anfängt und das Eisen aufhört.

Dieses Dasein im Kriege außer dem Gefecht wird nun jetzt teils durch die Einrichtungen und Dienstordnungen des Heeres, welche dasselbe aus dem Frieden mitgebracht hat, bestimmt, teils durch die taktischen und strategischen Anordnungen des Augenblicks. Die drei Zustände, in welchen die Streitkräfte sich befinden können, sind Quartiere, Marsch und Lager. Alle drei gehören ebensowohl der Taktik als der Strategie zu, und beide, die hier vielfältig aneinander grenzen, scheinen oft ineinander zu greifen oder tun es auch wirklich, so daß manche Anordnungen zu gleicher Zeit als taktisch und strategisch angesehen werden können.

Wir wollen von jenen drei Formen des Daseins außer dem Gefecht im allgemeinen sprechen, ehe sich noch besondere Zwecke daran anknüpfen; deswegen müssen wir aber zuvor die allgemeine Aufstellung der Streitkräfte betrachten, weil diese für Lager, Quartiere und Märsche eine höhere, umfassendere Anordnung ist.

Betrachten wir die Aufstellung der Streitkräfte allgemein, d. i. ohne besondere Zwecke, so können wir sie nur als Einheit, nämlich nur als ein zum gemeinschaftlichen Schlagen bestimmtes Ganze denken, denn jede Abweichung von dieser einfachsten Form würde schon einen besonderen Zweck voraussetzen. So entsteht also der Begriff eines Heeres, wie klein oder groß dasselbe auch sein mag.

Ferner, wo alle besonderen Zwecke noch fehlen, tritt als einziger Zweck hervor die Erhaltung, folglich auch die Sicherheit des Heeres. Daß das Heer ohne besonderen Nachteil bestehe, und daß es ohne besonderen Nachteil sich vereinigt schlagen könne, sind also die beiden Bedingungen. Aus diesen ergeben sich in näherer Anwendung auf die das Dasein und die Sicherheit des Heeres betreffenden Gegenstände folgende Rücksichten:

1. Die Leichtigkeit der Verpflegung.

2. Die Leichtigkeit der Unterbringung der Truppen.

3. Ein gesicherter Rücken.

4. Ein freier Landstrich vor sich.

5. Die Stellung selbst in einem durchschnittenen.

6. Strategische Anlehnungspunkte.

7. Zweckmäßige Teilung.

Unsere Erläuterungen über diese einzelnen Punkte sind folgende. Die beiden ersten veranlassen das Aufsuchen kultivierter Landstriche und großer Städte und Straßen. Sie entscheiden mehr für das Allgemeine als das Besondere.

Was wir unter einem gesicherten Rücken verstehen, geht aus dem Kapitel über die Verbindungslinien hervor. Das Nächste und Wichtigste dabei ist die senkrechte Aufstellung auf die Richtung, welche die Hauptrückzugsstraße in der Nähe der Aufstellung hat.

Was den vierten Punkt betrifft, so kann freilich eine Armee nicht einen Landstrich übersehen, wie bei der taktischen Aufstellung zur Schlacht sie ihre Fronte übersieht. Aber die strategischen Augen sind die Avantgarde, die vorgeschickten Haufen, Spione usw., und diesen wird die Beobachtung natürlich in einem offenen Landstrich leichter als in einem durchschnittenen. Der fünfte Punkt ist die bloße Kehrseite des vierten.

Die strategischen Anlehnungspunkte unterscheiden sich von den taktischen durch zwei Eigenschaften; nämlich daß sie das Heer nicht unmittelbar zu berühren brauchen, und daß sie von der anderen Seite eine viel größere Ausdehnung haben müssen. Der Grund ist, weil nach der Natur der Sache die Strategie sich überhaupt in größeren Raum- und Zeitverhältnissen bewegt als die Taktik. Wenn also eine Armee sich in der Entfernung einer Meile von der Küste oder den Ufern eines sehr beträchtlichen Stromes aufstellt, so lehnt sie sich strategisch an diese Gegenstände, denn der Feind wird nicht imstande sein, diesen Raum zu einer strategischen Umgehung zu benutzen. Er wird sich nicht tage- und wochenlang, und meilen- und märscheweit in diesen Raum hineinbegeben. Von der anderen Seite ist für die Strategie ein See von einigen Meilen Umfang kaum als ein Hindernis anzusehen; bei ihren Wirkungsarten kommt es auf einige Meilen rechts oder links selten an. Festungen werden in dem Maße ein strategischer Stützpunkt, als sie größer sind und eine weitere Wirkungssphäre ihrer Offensivunternehmungen haben.

Die geteilte Aufstellung des Heeres richtet sich entweder nach besonderen Zwecken und Bedürfnissen oder nach allgemeinen, nur von den letzteren kann hier die Rede sein.

Das erste allgemeine Bedürfnis ist das Vorschieben der Avantgarde mit anderen zur Beobachtung des Feindes erforderlichen Haufen.

Das zweite ist, daß bei sehr großen Armeen gewöhnlich auch die Reserven mehrere Meilen weit zurückgestellt werden und also zu einer geteilten Aufstellung führen.

Endlich erfordert die Deckung der beiden Flügel des Heeres gewöhnlich besonders aufgestellte Korps.

Unter dieser Deckung ist nicht etwa zu verstehen, daß ein Teil der Armee genommen werde, um den Raum auf ihrem Flügel zu verteidigen, damit dieser sogenannte schwache Punkt dem Feinde unzugänglich werde; wer würde dann den Flügel des Flügels verteidigen? Diese Vorstellungsart, die so gemein ist, ist völliger Unsinn. Die Flügel an und für sich sind keine schwachen Teile eines Heeres, aus dem Grunde, weil das feindliche auch Flügel hat und die unserigen nicht in Gefahr bringen kann, ohne die seinigen derselben Gefahr auszusetzen. Erst wenn die Umstände ungleich werden, wenn das feindliche Heer uns überlegen ist, wenn die feindlichen Verbindungen stärker sind als die unserigen (siehe Verbindungslinie), erst dann werden die Flügel schwächere Teile; von diesen besonderen Fällen aber ist hier nicht die Rede, also auch nicht von dem Fall, wo ein Flügelkorps in Verbindung mit anderen Kombinationen bestimmt ist, den Raum auf unserem Flügel wirklich zu verteidigen, denn das gehört nicht mehr in die Klasse allgemeiner Anordnungen.

Aber wenn auch die Flügel nicht besonders schwache Teile sind, so sind sie doch besonders wichtige, weil hier wegen der Umgehungen der Widerstand nicht mehr so einfach ist als in der Fronte, die Maßregeln verwickelter werden und mehr Zeit und Vorbereitungen erfordern. Aus diesem Grunde ist es in der Allgemeinheit der Fälle immer nötig, die Flügel besonders vor unvorhergesehenen Unternehmungen des Feindes zu schützen, und dies geschieht, wenn stärkere Massen, als zur bloßen Beobachtung nötig wären, auf den Flügeln aufgestellt werden. Diese Massen zu verdrängen, wenn sie auch keinen ernstlichen Widerstand leisten, erfordert um so mehr Zeit und eine um so größere Entwicklung der feindlichen Kräfte und Absichten, je größer sie sind; und damit ist der Zweck erreicht: was weiter geschehen soll, schließt sich an die besonderen Pläne des Augenblickes an. Man kann daher die auf den Flügeln befindlichen Korps als Seitenavantgarden betrachten, welche das Vordringen des Feindes in den über unseren Flügeln hinausliegenden Raum verzögern und uns Zeit verschaffen, Gegenanstalten zu treffen.

Sollen sich diese Korps auf die Hauptarmee zurückziehen, und diese nicht zugleich eine rückgängige Bewegung machen, so folgt von selbst, daß sie nicht in gleicher Linie mit derselben aufgestellt, sondern etwas vorgeschoben werden müssen, weil ein Rückzug auch selbst da, wo er angetreten wird, ohne sich in ein ernsthaftes Gefecht einzulassen, doch nicht ganz zur Seite der Aufstellung fallen darf.

Es entsteht also aus diesen inneren Gründen zu einer geteilten Aufstellung ein natürliches System von vier oder fünf abgesonderten Teilen, je nachdem die Reserve beim Hauptteil bleibt oder nicht.

So wie die Verpflegung und Unterbringung der Truppen bei der Aufstellung überhaupt mit entscheiden, so tragen diese beiden Gegenstände auch zur geteilten Aufstellung bei. Die Berücksichtigung beider tritt mit den oben entwickelten Gründen zusammen, man sucht der einen zu genügen, ohne der anderen zu viel zu vergeben. In den meisten Fällen werden durch die Teilung in fünf abgesonderte Korps die Schwierigkeiten des Unterkommens und der Verpflegung schon behoben sein, und durch diese Rücksicht keine großen Veränderungen nötig werden.

Wir haben jetzt noch einen Blick auf die Entfernungen zu werfen, welche diesen abgesonderten Haufen gegeben werden können, wenn die Absicht einer gegenseitigen Unterstützung, also eines gemeinschaftlichen Schlagens, dabei stattfinden soll. Wir erinnern hier an das, was in den Kapiteln von der Dauer und Entscheidung des Gefechts gesagt ist, wonach sich keine absolute Bestimmung geben läßt, weil absolute und relative Stärke, Waffen und Gegend einen sehr großen Einfluß haben, sondern nur das Allgemeinste, gleichsam eine Durchschnittssumme.

Die Entfernung der Avantgarde bestimmt sich am leichtesten; da sie auf ihrem Rückzug auf die Armee trifft, so kann ihre Entfernung allenfalls bis zu einem starken Tagemarsche betragen, ohne daß sie zu einer abgesonderten Schlacht gezwungen werden könnte. Man wird sie aber nicht weiter vorschieben, als die Sicherheit des Heeres erfordert, weil sie um so mehr leidet, je weiter sie sich zurückziehen muß.

Was die Seitenkorps betrifft, so pflegt, wie wir schon gesagt haben, das Gefecht einer gewöhnlichen Division von 8 bis 10000 Mann stets mehrere Stunden, ja bis einen halben Tag zu dauern, ehe es entschieden ist; darum trägt man kein Bedenken, eine solche Division einige Stunden, also 1 bis 2 Meilen von sich entfernt aufzustellen, und nach eben den Gründen können Korps von 3 bis 4 Divisionen füglich einen Tagemarsch, also 3 bis 4 Meilen entfernt werden.

Es wird also aus dieser in der Natur der Sache gegründeten allgemeinen Aufstellung der Hauptmacht in vier bis fünf Teilen und bei den gegebenen Entfernungen ein gewisser Methodismus entstehen, welcher maschinenmäßig das Heer verteilt, sooft nicht besondere Zwecke entscheidender eingreifen.

Aber ob wir gleich voraussetzen, daß jeder dieser voneinander getrennten Teile zu einem für sich bestehenden Gefecht geeignet sei, und daß er in die Notwendigkeit eines solchen kommen könne, so folgt daraus doch keineswegs, daß es die eigentliche Absicht der getrennten Aufstellung sei, sich getrennt zu schlagen; die Notwendigkeit dieser getrennten Aufstellung ist meistens nur eine Bedingung des Daseins, welche durch die Zeit gebildet wird. Nähert sich der Feind, um durch ein allgemeines Gefecht zu entscheiden, so ist die strategische Dauer vorüber, es schwindet alles in dem einen Moment der Schlacht zusammen, und damit endigen und verschwinden die Zwecke der geteilten Aufstellung. Wenn die Schlacht sich eröffnet, so hört die Rücksicht auf Quartier und Verpflegung auf; die Beobachtung des Feindes auf Front und Seiten und die Verminderung seiner Schnellkraft durch einen mäßigen Gegendruck hat sich erfüllt, und es wendet sich nun alles zu der großen Einheit der Hauptschlacht hin. Ob dem so sei, die Verteilung nur als die Bedingung, als das notwendige Übel, vereintes Schlagen aber als der Zweck der Aufstellung gedacht worden, ist das beste Kriterium von ihrem Werte.

Siebentes Kapitel: Avantgarde und Vorposten

Es gehören diese beiden Gegenstände zu denjenigen, in welche die taktischen und die strategischen Fäden gemeinschaftlich hineinlaufen. Auf der einen Seite muß man sie zu den Anordnungen zählen, welche dem Gefecht seine Gestalt geben und die Ausführung der taktischen Entwürfe sichern, anderenteils veranlassen sie häufig selbständige Gefechte und sind durch ihre von dem Hauptkorps mehr oder weniger entfernte Aufstellung als Glieder in der strategischen Kette zu betrachten, und eben diese Aufstellung ist es, welche uns veranlaßt, zur Ergänzung des vorigen Kapitels einen Augenblick bei ihnen zu verweilen.

Jede Truppe, welche nicht vollkommen schlachtfertig ist, bedarf einer Vorhut, um des Feindes Anrücken zu erfahren und zu erforschen, bevor sie ihn selbst ansichtig wird, denn der Gesichtskreis reicht in der Regel nicht viel weiter als der Wirkungskreis der Waffen. Was wäre aber ein Mensch, dessen Augen nicht weiter reichten als seine Arme? Die Vorposten sind die Augen des Heeres, hat man schon früher gesagt. Aber das Bedürfnis ist nicht immer dasselbe, es hat seine Grade. Stärke und Ausdehnung, Zeit, Ort, Umstände, Kriegsart, ja der Zufall hat Einfluß darauf, und so können wir uns nicht wundern, wenn der Gebrauch von Avantgarde und Vorposten in der Kriegsgeschichte nicht in bestimmten und einfachen Umrissen, sondern in einer Art Unordnung der mannigfaltigsten Fälle erscheint.

Bald sehen wir die Sicherheit des Heeres einem bestimmten Korps der Avantgarde anvertraut, bald einer langen Linie einzelner Vorposten; bald findet sich beides zusammen, bald ist weder von dem einen noch dem anderen die Rede; bald ist die Avantgarde den vorrückenden Kolonnen gemeinschaftlich, bald hat jede ihre eigene. Wir wollen versuchen, uns den Gegenstand klar vorzustellen und dann sehen, ob er sich auf wenige Grundsätze für die Anwendung zurückführen läßt.

Ist die Truppe in Bewegung, so bildet ein mehr oder weniger starker Haufe ihre Vorhut, nämlich die Avantgarde, welche, im Fall die Bewegung rückwärts geschieht, zur Arrieregarde wird. Ist die Truppe in Quartieren oder Lagern, so bildet eine ausgedehnte Linie schwacher Posten ihre Vorhut, die Vorposten. Es liegt nämlich in der Natur der Dinge, daß beim Stehen ein größerer Raum gedeckt werden kann und gedeckt werden muß als bei der Bewegung, so daß also in dem einen Fall der Begriff einer Postenlinie, in dem anderen der eines vereinigten Korps von selbst entsteht.

Die Avantgarde sowohl wie die Vorposten haben ihre Grade innerer Stärke von einem aus allen Waffen zusammengesetzten beträchtlichen Korps bis zu einem Husarenregiment, und von einer starken und verschanzten, aus allen Waffen bestehenden Verteidigungslinie bis zu bloßen aus dem Lager vorgesandten Feldwachen und Piketts. Die Wirkungen solcher Vorhut gehen also von der bloßen Beobachtung zum Widerstand über, und dieser Widerstand ist nicht nur geeignet, dem Korps die Zeit zu verschaffen, welche es braucht, um sich schlachtfertig zu machen, sondern auch des Feindes Maßregeln und Absichten zu einer früheren Entwicklung zu bringen, folglich die Beobachtung bedeutend zu steigern.

Je nachdem also eine Truppe mehr oder weniger Zeit braucht, je nachdem ihr Widerstand mehr oder weniger auf die besonderen Anordnungen des Feindes berechnet sein und danach eingerichtet werden soll, um so mehr bedarf sie einer stärkeren Avantgarde und stärkerer Vorposten.

Friedrich der Große, welcher der schlachtfertigste aller Feldherren genannt werden kann, und welcher sein Heer fast mit dem bloßen Kommandowort in die Schlacht führte, bedurfte keiner starken Vorposten. Wir sehen ihn daher sich stets dicht unter die Augen des Feindes lagern und hier durch ein Husarenregiment, dort durch ein Freibataillon oder durch Feldwachen und Piketts, welche aus dem Lager gegeben werden, für seine Sicherheit ohne großen Apparat sorgen. Bei den Märschen bildeten einige tausend Pferde, meistens zur Flügelreiterei des ersten Treffens gehörig, die Avantgarde, die nach Beendigung des Marsches wieder ins Heer einrückten. Selten kommt der Fall eines bleibenden Korps der Avantgarde vor.

Wo ein kleines Heer immer mit dem Gewicht seiner ganzen Masse und mit großer Schnellkraft handeln, seine größere Ausbildung und entschlossenere Führung geltend machen will, da muß, wie bei Friedrich dem Großen gegen Daun, fast alles sous la barbe de l'ennemi geschehen. Eine zurückgehaltene Aufstellung, ein umständliches Vorpostensystem würde seine Überlegenheit ganz unwirksam machen. Daß Fehler und Übertreibung einmal zur Schlacht von Hochkirch führen können, beweist nichts gegen das Verfahren, vielmehr muß man des Königs Meisterschaft darin erkennen, eben deswegen, weil es in allen Schlesischen Kriegen nur eine Schlacht von Hochkirch gibt.

Bonaparte aber, dem es doch wahrlich nicht an einem taktfesten Heer und nicht an Entschlossenheit fehlte, sehen wir fast überall mit einer starken Avantgarde vorrücken. Zwei Ursachen veranlaßten dies.

Die erste liegt in der Veränderung der Taktik. Man führt das Heer nicht mehr als ein einfaches Ganze mit dem bloßen Kommandowort in die Schlacht, um die Sache mit mehr oder weniger Gewandtheit und Tapferkeit wie ein großes Duell abzumachen, sondern man paßt seine Streitkräfte den Eigentümlichkeiten des Bodens und der Umstände mehr an, macht aus der Schlachtordnung und folglich aus der Schlacht ein mehrgliedriges Ganze, woraus denn folgt, daß aus dem einfachen Entschluß ein zusammengesetzter Plan und aus dem Kommandowort eine mehr oder weniger lange Disposition wird. Dazu gehören Zeit und Data.

Die zweite Ursache liegt in dem großen Umfange der neueren Heere. Friedrich führte 30 bis 40000 Mann in die Schlacht, Bonaparte 1 bis 200000.

Wir haben diese beiden Beispiele gewählt, weil man von solchen Feldherren voraussetzen konnte, daß sie eine durchgreifende Verfahrungsweise nicht ohne Grund angenommen haben werden. Im ganzen hat sich der Gebrauch der Avantgarde und der Vorposten in der neueren Zeit überhaupt mehr ausgebildet: daß aber in den Schlesischen Kriegen nicht alle verfuhren wie Friedrich der Große, sehen wir an den Österreichern, die ein viel stärkeres Vorpostensystem hatten und viel häufiger ein Korps der Avantgarde vorschoben, wozu sie durch ihre Lage und Verhältnisse hinreichend veranlaßt waren. Ebenso finden sich in den neuesten Kriegen Verschiedenheiten genug. Selbst die französischen Marschälle, Macdonald in Schlesien, Oudinot und Ney in der Mark, rücken mit 60 bis 70000 Mann starken Heeren vor, ohne daß wir von einem Korps der Avantgarde lesen. -

Wir haben bis jetzt von Avantgarden und Vorposten nach den Graden ihrer Stärke gesprochen, es besteht aber noch ein anderer Unterschied, über den wir mit uns ins reine kommen müssen. Es kann nämlich ein Heer, wenn es in einer gewissen Breite vor- oder zurückgeht, eine für alle nebeneinandergehenden Kolonnen gemeinschaftliche Vor- und Nachhut haben oder für jede Kolonne eine besondere. Um hier zu klaren Vorstellungen zu kommen, müssen wir uns die Sache auf folgende Art denken.

Im Grunde ist die Avantgarde, wenn es ein Korps gibt, welches diesen Namen besonders führt, nur für die Sicherheit der in der Mitte vorgehenden Hauptmacht bestimmt. Geht diese auf mehreren, nahe beieinanderliegenden Wegen vor, welche durch diese Korps der Avantgarde füglich auch genommen und folglich gedeckt werden können, so bedürfen die Seitenkolonnen natürlich keiner besonderen Deckung.

Diejenigen Korps aber, welche in größeren Entfernungen als wirklich abgesonderte Korps vorgehen, müssen für ihre Vorhut selbst sorgen. Auch diejenigen Korps der in der Mitte befindlichen Hauptmacht, welche sich der zufälligen Lage der Wege nach zu weit von der Mitte entfernt befinden, kommen in denselben Fall. Es werden also soviel Avantgarden entstehen, in wieviel getrennten Massen das Heer nebeneinander vorrückt; ist nun jede viel schwächer als eine gemeinschaftliche sein würde, so wird sie mehr in die Reihe der übrigen taktischen Anordnungen zurücktreten, und in dem strategischen Tableau die Avantgarde ganz fehlen. Hat aber die Hauptmasse in der Mitte ein viel größeres Korps zu seiner Vorhut, so wird dies als Avantgarde des Ganzen erscheinen und es auch in vieler Beziehung sein.

Was kann aber die Veranlassung sein, der Mitte eine so viel stärkere Vorhut zu geben als den Flügeln? Folgende drei Gründe:

1. Weil in der Mitte gewöhnlich eine stärkere Truppenmasse vorgeht.

2. Weil offenbar von dem Landstrich, welchen ein Heer seiner Breite nach einnimmt, der Mittelpunkt als solcher immer der wichtigste Teil bleibt, denn alle Entwürfe beziehen sich am meisten auf ihn, und darum ist auch das Schlachtfeld ihm gewöhnlich näher gelegen als den Flügeln.

3. Weil ein in der Mitte vorgeschobenes Korps, wenn es die Flügel auch nicht als eine wahre Vorhut unmittelbar sichern kann, doch mittelbar sehr viel zu ihrer Sicherheit beiträgt. Der Feind kann nämlich in gewöhnlichen Fällen einem solchen Korps in einer gewissen Entfernung nicht vorbeigehen, um gegen einen der Flügel etwas Bedeutendes zu unternehmen, weil er einen Anfall in Flanke und Rücken fürchten müßte. Ist dieser Zwang, welchen das in der Mitte vorgeschobene Korps dem Gegner antut, auch nicht hinreichend, um darauf die völlige Sicherheit des Seitenkorps zu bauen, so ist er doch geeignet, eine Menge von Fällen zu beseitigen, die nun von dem Seitenkorps nicht mehr zu fürchten sind.

Die Vorhut der Mitte also, wenn sie viel stärker ist als die Vorhut der Flügel, d. h. in ein besonderes Korps der Avantgarde besteht, hat nicht mehr die einfache Bestimmung einer Vorhut, die dahinterstehenden Truppen vor einem Überfall zu sichern, sondern sie wirkt als ein vorgeschobenes Korps in allgemeineren strategischen Beziehungen. Der Nutzen eines solchen Korps läßt sich auf folgende Zwecke zurückführen, welche also auch seine Anwendung bestimmen:

1. In Fällen, wo unsere Anordnungen viel Zeit erfordern, einen stärkeren Widerstand zu gewähren, das Vordringen des Feindes behutsamer zu machen, also die Wirkungen einer gewöhnlichen Vorhut zu steigern.

2. Wenn die Hauptmasse der Truppen sehr zahlreich ist, diese unbehilfliche Hauptmasse etwas mehr zurückhalten zu können und mit einem beweglichen Korps in des Feindes Nähe zu bleiben.

3. Wenn auch andere Gründe uns nötigen, mit der Hauptmasse in beträchtlicher Entfernung vom Feinde zu bleiben, ein Korps in dessen Nähe zu seiner Beobachtung zu haben.

Der Gedanke, als könnte ein schwacher Beobachtungsposten, ein bloßer Parteigänger zu dieser Beobachtung ebensogut dienen, widerlegt sich, wenn man bedenkt, wie leicht ein solcher vertrieben ist, und wie gering, im Vergleich mit einem großen Korps, auch seine Mittel zur Beobachtung sind.

4. Beim Verfolgen des Feindes. Mit einem bloßen Korps der Avantgarde, welchem der größte Teil der Kavallerie beizugeben ist, kann man sich schneller bewegen, des Abends später auf dem Platz, des Morgens früher bei der Hand sein als mit dem Ganzen.

5. Endlich beim Rückzug als Arrieregarde, um zur Verteidigung der Hauptabschnitte des Bodens gebraucht zu werden. Auch in diesem Verhältnis ist das Zentrum vorzüglich wichtig. Auf den ersten Anblick scheint es zwar, als wenn eine solche Arrieregarde stets in Gefahr wäre, von den Flügeln her umgangen zu werden. Allein man muß nicht vergessen, daß der Feind, wenn er auch auf den Flügeln schon etwas weiter vorgedrungen sein sollte, von da her immer noch den Weg zur Mitte zurückzulegen hat, wenn er dieser wirklich gefährlich werden will, daß also die Arrieregarde der Mitte darum immer um etwas länger standhalten und in der Bewegung zurückbleiben darf. Dagegen wird es gleich bedenklich, wenn die Mitte schneller ausweicht als die Flügel; es gewinnt gleich das Ansehen des Zersprengens, und dieses Ansehen ist an sich schon sehr zu fürchten. Niemals ist das Bedürfnis der Vereinigung, des Zusammenhaltens stärker vorhanden, und niemals wird es lebhafter von jedermann gefühlt als bei Rückzügen. Die Bestimmung der Flügel ist, in letzter Instanz doch wieder zur Mitte zu stoßen, und wenn Unterhalt und Wege nötigen, in einer beträchtlichen Breite zurückzugehen, so endigt die Bewegung doch gewöhnlich mit einer vereinigten Aufstellung in der Mitte. Nehmen wir zu diesen Betrachtungen noch die, daß der Feind doch gewöhnlich in der Mitte mit seiner Hauptstärke und mit dem Hauptnachdruck vorgeht, so müssen wir einsehen, daß die Arrieregarde der Mitte von besonderer Wichtigkeit ist.

Hiernach wird also das Vorschieben eines besonderen Korps der Avantgarde in allen den Fällen angemessen, wo eine der obigen Beziehungen eintritt. Sie fallen fast alle weg, wenn die Mitte nicht stärker an Truppen ist als die Flügel, wie z. B. Macdonald, als er 1813 in Schlesien gegen Blücher vorging, und dieser, als er sich gegen die Elbe bewegte. Beide hatten 3 Korps, die gewöhnlich in 3 Kolonnen auf verschiedenen Straßen nebeneinander zogen. Daher wird bei ihnen auch keine Avantgarde namhaft.

Aber diese Anordnung in drei gleich starken Kolonnen ist zum Teil auch darum nichts weniger als empfehlungswert, so wie denn für ein ganzes Heer die Einteilung in 3 Teile sehr unbeholfen ist, wie wir das im 5. Kapitel des 3. Buches gesagt haben.

Bei der Aufstellung des Ganzen in der Mitte mit zwei davon getrennten Flügeln, welche wir im vorigen Kapitel als die natürlichste dargestellt haben, solange es noch an besonderen Bestimmungen fehlt, wird das Korps der Avantgarde der einfachsten Idee nach sich vor der Mitte und also auch vor der Linie der Flügel befinden; da aber die Seitenkorps im Grunde ähnliche Bestimmungen für die Seiten haben wie die Avantgarde für die Fronte, so wird es sich sehr häufig zutragen, daß jene sich mit derselben in einer Linie befinden oder auch wohl gar noch weiter vorgeschoben sind, wie die besonderen Umstände es veranlassen.

Was die Stärke der Avantgarde betrifft, so ist wenig darüber zu sagen, da es jetzt mit Recht allgemeiner Gebrauch ist, eins oder mehrere der Glieder erster Ordnung, in welchen das Ganze geteilt ist, dazu zu nehmen und mit einem Teil der Kavallerie zu verstärken; also ein Korps, wenn das Heer in Korps, eine Division oder mehrere, wenn es in Divisionen geteilt ist.

Daß auch in dieser Beziehung die größere Zahl der Glieder ein Vorteil ist, sieht man leicht ein.

Die Entfernung, in welcher die Avantgarde vorgeschoben werden soll, hängt durchaus von den Umständen ab; es kann Fälle geben, wo sie mehr als einen Tagemarsch von der Hauptmasse entfernt, und andere, wo sie dicht vor derselben steht. Wenn wir sie in der großen Mehrheit der Fälle zwischen 1 und 3 Meilen Entfernung finden, so beweist dies allerdings, daß das Bedürfnis diese Entfernung am häufigsten fordert, ohne daß man daraus eine Regel machen kann, von der ausgegangen werden müßte.

Wir haben bei unserer bisherigen Betrachtung die Vorposten ganz aus den Augen verloren und müssen also noch einmal darauf zurückkommen.

Wenn wir anfangs gesagt haben: die Vorposten entsprechen der stehenden Truppe, die Avantgarde der im Marsch begriffenen, so war es, um die Begriffe auf ihre Entstehung zurückzuführen und vorläufig zu sondern; es ist aber klar, daß man wenig mehr als eine pedantische Unterscheidung gewinnen würde, wenn man sich streng an die Worte halten wollte.

Wenn ein im Marsch begriffenes Heer abends Halt macht, um morgens weiterzuziehen, so muß freilich auch die Avantgarde dies tun und muß jedesmal Posten zur Sicherheit für sich und das Ganze ausstellen, ohne daß sie darum aus einer Avantgarde sich in bloße Vorposten verwandelt. Sollen die letzteren als ein dem Begriff einer Avantgarde Entgegenstehendes betrachtet werden, so kann es nur da geschehen, wo sich die Hauptmasse der zur Vorhut bestimmten Truppe in einzelne Posten auflöst und ein Geringes oder gar nichts als vereinigtes Korps übrigbleibt, wo also der Begriff einer langen Postenlinie vor dem eines vereinigten Korps vorherrscht.

Je kürzer die Zeit der Ruhe ist, um so weniger vollkommen braucht die Deckung zu sein; von einem Tage zum anderen hat der Feind gar nicht einmal Gelegenheit, zu erfahren, was gedeckt ist und nicht. Je länger die Ruhe dauert, um so vollkommener muß die Beobachtung und Deckung aller Zugangspunkte werden. In der Regel wird also die Vorhut bei längerem Halt sich immer mehr und mehr in einer Postenlinie ausdehnen. Ob sie ganz darin übergehen, oder ob der Begriff eines vereinigten Korps vorherrschend bleiben soll, hängt hauptsächlich von zwei Umständen ab. Der erste ist die Nähe der gegenseitigen Heere, der zweite die Natur der Gegend.

Sind die Heere im Verhältnis zu ihrer Breitenausdehnung einander sehr nahe, so wird oft ein Korps der Avantgarde zwischen beide nicht mehr gestellt werden können, und sie werden ihre Sicherheit bloß durch eine Reihe von kleinen Posten erhalten können.

Überhaupt braucht ein vereinigtes Korps, da es die Zugänge weniger unmittelbar deckt, mehr Zeit und Raum zu seiner Wirksamkeit, und es wird also in Fällen, wo das Heer eine sehr große Breite einnimmt, wie bei Quartieren, schon eine beträchtliche Entfernung vom Feinde erforderlich, wenn ein vereinigt stehendes Korps die Zugänge sichern soll; daher z. B. Winterquartiere meistens durch einen Vorpostenkordon gedeckt worden sind.

Der zweite Umstand ist die Natur der Gegend; wo nämlich ein starker Bodeneinschnitt Gelegenheit gibt, mit wenig Kräften eine starke Postenlinie zu bilden, da wird man ihn nicht unbenutzt lassen.

Endlich kann auch bei Winterquartieren die Strenge der Jahreszeit Veranlassung werden, das Korps der Avantgarde in eine Postenlinie aufzulösen, weil das Unterkommen desselben dadurch erleichtert wird.

Am vollkommensten ausgebildet findet sich der Gebrauch einer verstärkten Vorpostenlinie bei dem englisch-holländischen Heer in den Niederlanden in dem Winterfeldzug von 1794 bis 1795, wo die Verteidigungslinie aus Brigaden von allen Waffen in einzelnen Posten gebildet und durch eine Reserve unterstützt wurden. Scharnhorst, der sich bei dieser Armee befand, hat diesen Gebrauch im Jahr 1807 in Ostpreußen bei der preußischen Armee an der Passarge eingeführt. Sonst ist er aber in den neueren Zeiten wenig vorgekommen, hauptsächlich weil die Kriege zu bewegungsreich waren. Aber auch da, wo sich die Gelegenheit dazu fand, ist er versäumt worden, wie z. B. von seiten Murats bei Tarutino. Eine längere Ausdehnung seiner Verteidigungslinie würde ihn nicht in den Fall gesetzt haben, in einem Vorpostengefecht einige dreißig Kanonen einzubüßen.

Es ist nicht zu leugnen, wo es Umstände mit sich bringen, aus diesem Mittel große Vorteile gezogen werden können, wovon wir bei anderen Gelegenheiten noch zu sprechen denken.

Achtes Kapitel: Wirkungsart vorgeschobener Korps

Wir haben eben gesehen, wie die Sicherheit des Heeres von den Wirkungen erwartet wird, welche die Avantgarde und Seitenkorps auf den vordringenden Feind hervorbringen. Diese Korps sind immer als sehr schwach zu betrachten, sobald man sie sich als im Konflikt mit dem feindlichen Hauptheer denkt, und es bedarf daher einer eigenen Entwicklung, wie sie ihre Bestimmung erfüllen können, ohne daß von jenem Mißverhältnis der Stärke bedeutende Verluste zu befürchten sind.

Die Bestimmung dieser Korps ist die Beobachtung des Feindes und die Verzögerung seines Vorrückens.

Schon für den ersten Zweck würde ein kleiner Haufen niemals dasselbe leisten; teils weil er leichter vertrieben ist, teils weil seine Mittel, d. i. seine Augen, nicht so weit reichen.

Aber das Beobachten soll auch einen höheren Grad haben; der Feind soll sich vor solchen Korps in seiner ganzen Stärke entwickeln und dabei nicht bloß seine Stärke, sondern auch seine Pläne deutlicher werden lassen.

Hierzu würde ihr bloßes Dasein hinreichen, und sie hätten nur nötig, die Anstalten, welche der Feind zu ihrer Vertreibung macht, abzuwarten und dann ihren Rückzug anzutreten.

Aber sie sollen auch das Vorrücken des Feindes verzögern; dazu gehört schon eigentlicher Widerstand.

Wie läßt sich nun sowohl dieses Abwarten bis auf den letzten Augenblick als dieser Widerstand denken, ohne daß ein solches Korps dabei in beständiger Gefahr großer Verluste sei? Hauptsächlich dadurch, daß der Feind auch mit einer vorgeschobenen Avantgarde anrückt und folglich nicht gleich mit der überflügelnden und überwältigenden Gewalt des Ganzen. Ist nun auch diese Avantgarde schon von Hause aus unserem vorgeschobenen Korps überlegen, wie sie denn natürlich dazu eingerichtet wird, und ist auch das feindliche Heer derselben näher als wir der unserigen und, weil es schon im Anzug begriffen ist, auch bald zur Stelle, um den Angriff seiner Avantgarde mit alter Macht zu unterstützen, so gibt doch dieser erste Abschnitt, wo unser vorgeschobenes Korps es mit der feindlichen Avantgarde, also ungefähr mit seinesgleichen zu tun hat, schon einigen Zeitgewinn und die Fähigkeit, das Anrücken des Gegners einige Zeit zu beobachten, ohne seinen eigenen Rückzug in Gefahr zu bringen.

Aber selbst einiger Widerstand, welchen ein solches Korps in einer dazu geeigneten Stellung tut, bringt nicht allen Nachteil, welchen man in Rücksicht auf das Mißverhältnis der Macht in anderen Fällen erwarten könnte. Die Hauptgefahr beim Widerstand gegen einen überlegenen Feind liegt immer in der Möglichkeit, umgangen und durch einen umfassenden Angriff in großen Nachteil gebracht zu werden; diese ist aber in solcher Lage meistens sehr gemindert, weil der Vorrückende niemals recht weiß, wie nahe eine Unterstützung von dem Heere selbst sich findet und also seine abgeschickten Kolonnen selbst zwischen zwei Feuer bringen könnte. Die Folge ist, daß der Vorrückende mit seinen einzelnen Kolonnen immer ziemlich in gleicher Höhe bleibt und erst dann, wenn er die Lage seines Gegners genau durchforscht hat, anfängt, mit Vorsicht und Behutsamkeit den einen oder anderen Flügel zu umgehen. Dieses Herumtasten und diese Behutsamkeit machen es dann dem vorgeschobenen Korps möglich, sich vor dem Eintritt einer wirklichen Gefahr abzuziehen.

Wie lange übrigens der wirkliche Widerstand eines solchen Korps gegen den Frontalangriff und gegen den Anfang einer Umgehung dauern darf, hängt vorzüglich von der Natur der Gegend und der Nähe seiner Unterstützung ab. Wird dieser Widerstand über sein natürliches Maß ausgedehnt, entweder aus Unverstand oder aus Aufopferung, weil das Heer Zeit braucht, so wird ein beträchtlicher Verlust immer die Folge davon sein.

In den seltensten Fällen, nämlich nur, wenn ein beträchtlicher Bodenabschnitt dazu Gelegenheit gibt, wird der eigentliche Gefechtswiderstand von Bedeutung sein dürfen, und die Dauer der kleinen Schlacht, welche ein solches Korps liefern könnte, würde, an sich betrachtet, schwerlich ein hinreichender Zeitgewinn sein; dieser muß vielmehr in der dreifachen Weise gesucht werden, welche in der Natur der Sache liegt, nämlich:

1. durch das behutsamere und folglich langsamere Vorschreiten des Gegners,

2. durch die Dauer des wirklichen Widerstandes,

3. durch den Rückzug selbst.

Dieser Rückzug muß so langsam gemacht werden, als die Sicherheit gestattet. Wo die Gegend zu neuen Aufstellungen Gelegenheit darbietet, muß sie benutzt werden, welches den Feind zwingt, neue Anstalten zum Angriff und zur Umgehung zu treffen, und also neuen Zeitgewinn verschafft. Selbst ein wirkliches Gefecht kann vielleicht in der neuen Stellung angenommen werden.

Man sieht, daß der Gefechtswiderstand und der Rückmarsch innig miteinander verschmolzen sind, und daß, was den Gefechten an Dauer abgeht, durch ihre Vervielfältigung gewonnen werden muß.

Dies ist die Widerstandsart eines vorgeschobenen Korps. Das Resultat derselben richtet sich vor allen Dingen nach der Stärke des Korps und der Natur der Gegend, nächstdem nach der Länge des Weges, welchen es zurückzulegen, und der Unterstützung und Aufnahme, die es findet.

Ein kleiner Haufe kann, auch bei gleichem Machtverhältnis, nicht so lange widerstehen wie ein beträchtliches Korps; denn je größer die Massen werden, um so mehr Zeit brauchen sie zur Vollbringung ihrer Tätigkeit, welcher Art diese auch sein mag. In einer Gebirgsgegend ist schon der bloße Marsch viel langsamer, der Widerstand in den einzelnen Aufstellungen länger und gefahrloser und die Gelegenheit zu solchen Aufstellungen auf jedem Schritt vorhanden.

Die Weite, auf welcher ein Korps vorgeschoben worden ist, vermehrt die Länge seines Rückzuges und also den absoluten Zeitgewinn seines Widerstandes; aber da ein solches Korps seiner Lage nach noch weniger widerstandsfähig und unterstützt ist, so wird es den Weg verhältnismäßig in kürzerer Zeit zurücklegen als einen kürzeren, wenn es dem Heere näher gestanden hätte.

Die Aufnahme und Unterstützung, welche ein Korps findet, muß natürlich Einfluß auf die Dauer seines Widerstandes haben, da das, was man dem Rückzug an Vorsicht und Behutsamkeit schuldig ist, immer von dem Widerstande genommen und diesem also entzogen werden muß.

Einen merklichen Unterschied in der Zeit, welche durch den Widerstand der vorgeschobenen Korps gewonnen wird, macht es, wenn der Feind erst in der letzten Hälfte des Tages vor ihnen erscheint; in diesem Fall wird gewöhnlich, weil die Nacht selten zum weiteren Vorschreiten benutzt wird, die Dauer derselben an Zeit mehr gewonnen. So geschah es, daß im Jahr 1815 das erste preußische Korps unter General Zieten von etwa 30000 Mann Bonaparte mit 120000 Mann gegen sich haben und auf dem kurzen Weg von Charleroi bis Ligny, der noch nicht 2 Meilen beträgt, dem preußischen Heer über 24 Stunden Zeit zu seiner Versammlung verschaffen konnte. General Zieten wurde nämlich den 15. Juni vormittags um etwa 9 Uhr angegriffen, und die Schlacht von Ligny fing den 16. etwa um 2 Uhr mittags an. Freilich hatte General Zieten einen sehr beträchtlichen Verlust, nämlich 5 bis 6000 Mann an Tote, Verwundete und Gefangene.

Fragen wir die Erfahrung, so dürfte sich folgendes Resultat als Anhaltspunkt für Betrachtungen der Art aufstellen lassen.

Eine durch Reiterei verstärkte Division von 10 bis 12000 Mann, die auf einen Tagemarsch von 3 bis 4 Meilen vorgeschoben ist, wird in einer gewöhnlichen, nicht eben starken Gegend den Feind einschließlich des Rückzuges etwa anderthalbmal so lange Zeit aufhalten können, als der einfache Marsch durch die Rückzugsgegend erfordert hätte; ist aber die Division nur eine Meile weit vorgeschoben, so wird der Aufenthalt des Feindes wohl zwei- bis dreimal solange dauern wie der einfache Marsch.

Also bei 4 Meilen, deren gewöhnliche Marschdauer auf 10 Stunden anzunehmen ist, wird man etwa auf 15 Stunden rechnen können von dem Augenblick, da der Feind vor der Division mit Macht erscheint, bis zu dem Augenblick, wo er imstande ist, unser Heer selbst anzugreifen. Dagegen wird, wenn die Avantgarde nur eine Meile weit vom Heere steht, die Zeit, welche bis zum möglichen Angriff unseres Heeres verstreicht, länger als 3 bis 4 Stunden und füglich auf das Doppelte anzunehmen sein; denn die Zeit, welche der Gegner braucht, seine ersten Maßregeln gegen die Avantgarde zu entwickeln, wird dieselbe, die Zeit des Widerstandes dieser Avantgarde in der ursprünglichen Aufstellung sogar größer sein wie im Fall einer weiter vorgeschobenen Stellung.

Die Folge ist, daß der Feind unter jener ersten Voraussetzung nicht leicht an demselben Tage, wo er unsere Avantgarde vertreibt, den Angriff gegen unser Heer unternehmen kann, und so hat es sich auch meistens in der Erfahrung ergeben. Selbst im zweiten Fall muß der Feind unsere Avantgarde wenigstens in der ersten Hälfte des Tages vertreiben, um noch Zeit zu einer Schlacht zu behalten.

Da bei der ersten unserer Voraussetzungen die Nacht uns zu Hilfe kommt, so sieht man, wieviel Zeit durch eine weiter vorgeschobene Avantgarde gewonnen werden kann.

Was die einem Heer zur Seite aufgestellten Korps betrifft, deren Bestimmung wir früher angegeben haben, so ist ihr Verfahren in den meisten Fällen mehr oder weniger an Umstände geknüpft, die in das Gebiet der näheren Anwendung gehören. Das einfachste Verhältnis ist, sie wie eine dem Heer zur Seite aufgestellte Avantgarde zu betrachten, die, zugleich etwas vorgeschoben, sich in schräger Richtung auf dasselbe zurückzieht.

Da sich diese Korps nicht gerade vor dem Heere befinden und also nicht zu beiden Seiten von demselben so bequem aufgenommen werden können wie eine wirkliche Avantgarde, so würden sie größerer Gefahr ausgesetzt sein, wenn sich nicht die feindliche Stoßkraft auf den äußersten Enden in der Allgemeinheit der Fälle auch etwas verringerte, und in den schlimmsten Fällen diese Korps Raum zum Ausweichen hätten, ohne das Heer so unmittelbar in Gefahr zu bringen, wie eine fliehende Avantgarde tun würde.

Die Aufnahme vorgeschobener Korps geschieht am liebsten und besten durch eine beträchtliche Reiterei, welches denn Veranlassung wird, die Reserve dieser Waffe, wo die Entfernungen es nötig machen, zwischen dem Heer und dem vorgeschobenen Korps aufzustellen.

Das Endresultat ist also: daß die vorgeschobenen Korps weniger durch eigentliche Kraftanstrengung als durch ihre bloße Gegenwart, weniger durch Gefechte, die sie wirklich liefern, als durch die Möglichkeit derjenigen, die sie liefern könnten, wirksam werden; daß sie die feindliche Bewegung nirgends hemmen, sondern wie ein Pendelgewicht ermäßigen und regeln sollen, damit man imstande sei, sie dem Kalkül zu unterwerfen.

Neuntes Kapitel: Lager

Wir betrachten die drei Zustände des Heeres außer dem Gefecht nur strategisch, d. h. insofern sie einzelne Gefechte darstellen, also: Ort, Zeit und die Menge der Streitkräfte bedingen. Alle Gegenstände, welche sich auf die inneren Anordnungen der Gefechte und auf den Übergang in den Zustand des Gefechts beziehen, gehören in die Taktik.

Die Aufstellung in Lagern, worunter wir jede Aufstellung außer Quartieren verstehen, sei es unter Zelten, in Hütten oder im freien Felde, ist mit dem dadurch bedingten Gefecht strategisch völlig identisch. Taktisch ist sie es nicht immer, denn man kann aus mancherlei Gründen den Lagerplatz etwas verschieden wählen von dem ausersehenen Schlachtfelde. Nachdem wir nun über die Aufstellung des Heeres, d. h. über den Ort, welchen die einzelnen Teile einnehmen werden, bereits das Erforderliche gesagt haben, geben uns die Lager nur noch zu einer historischen Betrachtung Veranlassung. Früher, d. h. seitdem die Armeen wieder zu einer bedeutenden Größe angewachsen, die Kriege dauernder, in ihren einzelnen Teilen zusammenhängender geworden sind, und bis zur französischen Revolution lagerten die Heere stets unter Zelten. Dies war ihr Normalzustand. Mit dem Eintritt der schönen Jahreszeit verließen sie die Quartiere und bezogen dieselben erst wieder mit Eintritt des Winters. Die Winterquartiere muß man gewissermaßen als einen Zustand des Nichtkrieges ansehen, denn in ihnen wurden die Kräfte neutralisiert, das ganze Uhrwerk in seinem Gange angehalten. Erholungsquartiere, welche den eigentlichen Winterquartieren vorangehen, und andere Kantonnements auf kurze Zeit und in engen Räumen waren Übergänge und außergewöhnliche Zustände.

Wie sich jene regelmäßige freiwillige Neutralisierung der Kraft mit dem Zweck und Wesen des Krieges vertrug und noch verträgt, ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, wir kommen später auf diesen Gegenstand; genug, es war so.

Seit dem französischen Revolutionskriege haben die Heere die Zelte des großen Trosses wegen, welchen sie veranlassen, ganz abgeschafft. Teils findet man es besser, bei einem Heer von 100000 Mann statt der 6000 Zeltpferde 5000 Mann Reiterei oder ein paar hundert Geschütze mehr zu haben, teils ist bei großen und raschen Bewegungen ein solcher Troß nur hinderlich und wenig nützlich.

Dadurch sind aber zwei Rückwirkungen entstanden, nämlich: ein stärkerer Verbrauch von Streitkräften und eine größere Verheerung des Landes.

Wie schwach auch der Schutz eines Daches von schlechter Leinewand sei, es ist nicht zu verkennen, daß mit ihm die Truppen auf die Dauer einer großen Erleichterung entbehren. Für einen einzelnen Tag ist der Unterschied gering, weil ein Zelt gegen Wind und Kälte wenig und gegen Nässe nicht vollkommen schützt; aber dieser geringe Unterschied macht ein Bedeutendes, wenn es sich 2 oder 300 Mal im Jahr wiederholt. Ein größerer Verlust durch Krankheiten ist die ganz natürliche Folge.

Wie die Verheerung des Landes durch den Mangel an Zelten zunimmt, braucht nicht auseinandergesetzt zu werden.

Man sollte also glauben, die Abschaffung der Zelte müßte wegen dieser beiden Rückwirkungen den Krieg auf eine andere Weise wieder geschwächt haben; man müßte länger und häufiger in Quartieren stehen und aus Mangel an Lagerungsbedürfnissen manche Aufstellung unterlassen, die vermittelst der Zeltlager möglich war.

Dies würde auch der Fall gewesen sein, wenn der Krieg nicht in derselben Epoche überhaupt eine ungeheure Veränderung erlitten hätte, welche diese kleinen untergeordneten Wirkungen in sich verschlungen hat.

Sein elementarisches Feuer ist so überwältigend, seine Energie so außerordentlich geworden, daß auch jene regelmäßigen Perioden der Ruhe verschwunden sind, und alle Kräfte sich mit unaufhaltsamer Gewalt zur Entscheidung hindrängen, wovon eigentlicher im neunten Buche gehandelt werden soll. Unter diesen Umständen kann also von einer Veränderung nicht die Rede sein, welche die Entbehrung der Zelte in dem Gebrauch der Streitkräfte veranlassen sollte. Man lagert in Hütten oder unter freiem Himmel, vollkommen rücksichtslos auf Wetter, Jahreszeit und Gegend, wie es der Zweck und Plan des Ganzen fordert.

Ob der Krieg zu allen Zeiten und unter allen Umständen diese Energie behalten wird, davon werden wir in der Folge sprechen; da, wo er sie aber nicht hat, wird allerdings die Entbehrung der Zelte einigen Einfluß auf seine Führung äußern können; daß aber diese Rückwirkung je stark genug werden könnte, um wieder zur Einführung der Zeltlager zu führen, ist darum zu bezweifeln, weil, nachdem sich für das kriegerische Element einmal viel weitere Schranken aufgetan haben, es immer nur periodisch für gewisse Zeiten und Verhältnisse in die alten, engeren zurückkehren, von Zeit zu Zeit aber wieder mit der Allgewalt seiner Natur durchbrechen wird. Bleibende Einrichtungen der Heere können also nur auf diese berechnet werden.

Zehntes Kapitel: Märsche

Die Märsche sind ein bloßer Übergang von einer Aufstellung zur anderen, und darin sind zwei Hauptbedingungen enthalten.

Die erste ist die Bequemlichkeit der Truppen, damit nicht Kräfte unnütz vertan werden, die man nützlich anwenden könnte; die zweite die Genauigkeit der Bewegung, damit sie richtig zutreffen. Wenn man 100000 Mann in einer einzigen Kolonne, d. h. auf einer Straße ohne Zeitabschnitte marschieren lassen wollte, so würde das Ende dieser Kolonne mit ihrer Spitze niemals an demselben Tage eintreffen; man würde entweder ungewöhnlich langsam vorrücken müssen, oder die Masse würde, wie ein fallender Wasserstrahl in Tropfen, auseinanderreißen, und dieses Auseinanderreißen, verbunden mit der übermäßigen Anstrengung, welche die Länge der Kolonne für die hintersten zur Folge hat, würde bald alles in Wirrwarr auflösen.

Von diesem Extrem nun hinunter wird der Marsch immer um so leichter und genauer, je kleiner die Masse der Truppen ist, die sich in einer Kolonne befindet. Daraus also entsteht ein Bedürfnis der Teilung, welches nichts mit derjenigen Teilung zu tun hat, die von der geteilten Aufstellung herrührt, so daß die Teilung in Marschkolonnen zwar im allgemeinen, aber nicht in jedem besonderen Fall aus der Aufstellung hervorgeht. Eine große Masse, die man auf einen Punkt vereint aufstellen will, muß man notwendig im Marsch teilen. Aber selbst dann, wenn eine geteilte Aufstellung einen geteilten Marsch veranlaßt, können bald die Bedingungen der Aufstellung, bald die des Marsches vorherrschen. Ist z. B. die Aufstellung eine bloße Rast, kein Gefecht in derselben zu erwarten, so herrschen die Bedingungen des Marsches vor, und diese Bedingungen bestehen hauptsächlich in der Wahl guter und gebahnter Straßen. Diese Verschiedenheit im Auge habend, wird man in dem einen Fall die Wege der Quartiere und Lager wegen, in dem anderen die Quartiere und Lager der Straße wegen wählen. Wo man eine Schlacht erwartet, und es darauf ankommt, den passenden Punkt mit einer Truppenmasse zu erreichen, da trägt man kein Bedenken, dieselben nötigenfalls durch die schwierigsten Seitenwege dahin gelangen zu lassen; befindet man sich dagegen mit dem Heere gewissermaßen noch auf der Reise zum Kriegstheater, so werden die nächsten großen Straßen für die Kolonnen gewählt und Quartiere und Lager, so gut es gehen will, in ihrer Nähe aufgesucht.

Zu welcher der beiden Arten der Marsch auch gehören mag, so ist es ein allgemeiner Grundsatz der neueren Kriegskunst, überall, wo nur die Möglichkeit eines Gefechts denkbar ist, d. h. in dem ganzen Bereich des eigentlichen Krieges, die Kolonnen so einzurichten, daß die darin enthaltene Truppenmasse zu einem selbständigen Gefecht geeignet sei. Diese Bedingung wird erfüllt durch die Verbindung der drei Waffen, durch eine organische Einteilung des Ganzen und durch die gehörige Bestellung des Oberbefehls. Es sind also hauptsächlich die Märsche, welche die neuere Schlachtordnung veranlaßt haben, und welche den größten Nutzen von ihr ziehen.

Als in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, besonders auf dem Kriegstheater Friedrichs II., man anfing, die Bewegung als ein eigenes Prinzip des Schlagens anzusehen und den Sieg durch den Einfluß unvermuteter Bewegungen an sich zu reißen, machte der Mangel einer organischen Schlachtordnung die künstlichsten und schwerfälligsten Anordnungen in den Märschen notwendig. Um in der Nähe des Feindes eine Bewegung auszuführen, mußte man immer zum Schlagen bereit sein; man war aber dazu nicht bereit, wenn nicht die Armee beisammen war, weil nur die Armee ein Ganzes ausmachte. Das zweite Treffen mußte bei Seitenmärschen, um immer in einer erträglichen Entfernung, d. h. nicht über eine Viertelmeile vom ersten sich zu befinden, mit Not und Mühe und mit einem großen Aufwand von Lokalkenntnis über Stock und Block geführt werden, denn wo findet man auf eine Viertelmeile zwei gebahnte Wege parallel nebeneinander herlaufen? Eben die Umstände traten ein für die Flügelkavallerie, wenn man senkrecht auf den Feind marschierte. Neue Not war mit der Artillerie, die ihre eigene durch die Infanterie gedeckte Straße brauchte, weil die Infanterietreffen ununterbrochene Linien bilden sollten, und die Artillerie ihre langen schleppenden Kolonnen noch schleppender gemacht und alle Distanzen in Unordnung gebracht haben würde. Man lese nur die Marschdispositionen in Tempelhoffs Geschichte des Siebenjährigen Krieges, um sich von allen diesen Umständen und von den Fesseln zu überzeugen, welche dadurch dem Kriege angelegt wurden.

Seitdem aber die neuere Kriegskunst dem Heere eine organische Einteilung gegeben, wobei die Hauptteile als kleine Ganze zu betrachten sind, die im Gefecht alle Wirkungen des großen Ganzen hervorbringen können mit dem einzigen Unterschied, daß ihr Wirken von kürzerer Dauer ist, seitdem ist man, selbst da, wo man ein vereintes Schlagen beabsichtigt, nicht mehr genötigt, die Kolonnen in dem Maße nahe beieinander zu haben, daß sich alle vor Anfang des Gefechts vereinigen können, sondern es ist hinreichend, wenn diese Vereinigung im Lauf des Gefechts statthat.

Je kleiner eine Truppenmasse ist, um so leichter ist sie zu bewegen, um so weniger bedarf es derjenigen Teilung, die nicht eine Folge der geteilten Aufstellung, sondern der Unbehilflichkeit der Masse ist. Ein kleiner Haufen marschiert also in einer Straße, und soll er auf mehreren Linien vorgehen, so finden sich leicht Wege nahe beieinander, gut genug für sein Bedürfnis. Je größer die Massen werden, um so größer wird das Bedürfnis der Teilung, die Anzahl der Kolonnen und das Erfordernis gebahnter Wege oder gar großer Straßen, folglich auch die Entfernung der Kolonnen untereinander. Mit diesem Bedürfnis der Teilung steht nun die Gefahr derselben, arithmetisch gesprochen, in umgekehrtem Verhältnis. Je kleiner die Teile sind, um so eher müssen sie einander beispringen, je größer, um so länger können sie sich selbst überlassen bleiben. Wenn man sich nur dessen erinnert, was im vorigen Buch hierher Gehöriges gesagt worden ist, und bedenkt, daß in kultivierten Gegenden sich auf einige Meilen Entfernung von der Hauptstraße immer ziemlich gebahnte parallel laufende Wege finden werden, so wird man leicht einsehen, daß in der Anordnung des Marsches sich keine sehr großen Schwierigkeiten finden, die ein schnelles Vorschreiten und genaues Zutreffen mit der gehörigen Vereinigung der Kräfte unverträglich machte. - In Gebirgen, wo der parallelen Straßen am wenigsten und die Verbindungen derselben untereinander am schwierigsten sind, ist auch die Widerstandsfähigkeit einer einzelnen Kolonne sehr viel größer.

Um uns des Gegenstandes klarer bewußt zu werden, wollen wir denselben einen Augenblick in konkreter Gestalt betrachten.

Eine Division von 8000 Mann nimmt mit ihrer Artillerie und einigem anderen Fuhrwerk nach der Erfahrung in gewöhnlichen Fällen den Raum einer Stunde ein; wenn also zwei Divisionen auf einer Straße ziehen, so kommt die zweite eine Stunde nach der ersten an; nun ist aber, wie wir im sechsten Kapitel des vierten Buches schon gesagt haben, eine Division von solcher Stärke wohl imstande, auch gegen einen überlegenen Feind das Gefecht mehrere Stunden zu unterhalten, und es würde also die zweite Division, selbst im unglücklichsten Falle, wenn nämlich die erste genötigt worden wäre, das Gefecht augenblicklich zu beginnen, nicht zu spät kommen. Ferner wird man innerhalb einer Stunde rechts und links der Straße, auf welcher man marschiert, in den kultivierten Ländern Mitteleuropas meistens auch Seitenwege finden, welche man für den Marsch benutzen kann, ohne, wie das im Siebenjährigen Kriege so oft geschah, querfeldein zu marschieren.

Ferner ist es aus der Erfahrung bekannt, daß ein Heer von 4 Divisionen und einer Kavalleriereserve einen Marsch von 3 Meilen, selbst in nicht guten Wegen, mit der Spitze in 8 Stunden zurückzulegen pflegt; rechnen wir nun für jede Division eine Stunde Tiefe und ebensoviel für die Kavallerie- und Artilleriereserve, so wird der ganze Marsch 13 Stunden dauern. Dies ist keine übermäßige Zeitlänge, und doch würden in diesem Falle an 40000 Mann auf derselben Straße marschiert sein. Bei dieser Masse aber kann man die Nebenwege noch weiter suchen und benutzen, folglich den Marsch leicht abkürzen. Wäre die Masse der Truppen, welche auf einer Straße ziehen sollte, noch größer als die obige, so würde auch schon der Fall eintreten, daß die Ankunft derselben an ein und demselben Tage nicht mehr unerläßlich wäre; denn solche Massen liefern sich jetzt die Schlachten niemals in der ersten Stunde des Zusammentreffens und gewöhnlich erst am folgenden Tage.

Wir haben diese konkreten Fälle angeführt, nicht um die Verhältnisse derart zu erschöpfen, sondern um deutlicher zu werden und mit diesem Blick in die Erfahrung zu zeigen, daß bei der jetzigen Kriegführung die Einrichtung der Märsche keine so großen Schwierigkeiten mehr darbietet; daß die schnellsten und genauesten Märsche nicht mehr eine eigene Kunst und eine so genaue Landeskenntnis erfordern, wie dies im Siebenjährigen Kriege bei den schnellen und genauen Märschen Friedrichs des Großen der Fall war; vielmehr machen sie sich jetzt vermittelst der organischen Einteilung des Heeres fast von selbst, wenigstens ohne große Entwürfe. Wie die Schlachten sonst durch das bloße Kommandowort geleitet wurden, die Märsche aber langer Entwürfe bedurften, so bedürfen jetzt die Schlachtordnungen der letzteren, und für den Marsch genügt fast das bloße Kommandowort.

Bekanntlich unterscheiden sich alle Märsche in senkrechte und parallele. Die letzteren, auch Flankenmärsche genannt, verändern die geometrische Lage der Teile; was in der Aufstellung nebeneinander war, wird auf dem Marsch hintereinander sein und umgekehrt. Ob nun gleich alle innerhalb des rechten Winkels liegenden Grade ebensogut als Richtung des Marsches vorkommen können, so muß doch die Ordnung derselben entschieden von der einen oder der anderen Art sein.

Nur der Taktik wäre es möglich, diese geometrische Veränderung vollkommen durchzuführen, und dieser auch nur, wenn sie sich des sogenannten Rottenmarsches bediente, welches für große Massen unmöglich ist. Noch viel weniger kann es die Strategie. Die Teile, welche ihre geometrischen Verhältnisse wechseln, beziehen sich bei der ehemaligen Schlachtordnung nur auf Flügel und Treffen, bei der neueren Schlachtordnung gewöhnlich auf die Glieder der ersten Ordnung: Korps, Divisionen oder auch Brigaden, je nachdem das Ganze eingeteilt ist. Allein auch hierauf haben die aus der neueren Schlachtordnung oben gezogenen Folgerungen Einfluß; da es nicht mehr so nötig ist wie sonst, daß das Ganze zusammen sei, ehe gehandelt werde, so trägt man mehr Sorge, daß dasjenige, was zusammen ist, ein Ganzes sei. Wenn 2 Divisionen so aufgestellt wären, daß die eine hinter der anderen als Reserve sich befände, und diese auf zwei Wegen gegen den Feind vorrücken sollte, so würde niemand auf den Gedanken kommen, jede der beiden Divisionen in die beiden Wege zu teilen, sondern man würde unbedenklich jeder Division einen Weg geben, sie also nebeneinander marschieren und jeden der Divisionsgenerale dafür sorgen lassen, im Fall eines Gefechts sich seine Reserve selbst zu bilden. Die Einheit des Befehls ist viel wichtiger als das ursprüngliche geometrische Verhältnis; kommen die Divisionen ohne Gefecht in der bestimmten Stellung an, so können sie ihr voriges Verhältnis wieder einnehmen. Noch weniger wird man, wenn zwei nebeneinanderstehende Divisionen einen Parallelmarsch auf zwei Wegen machen sollen, auf den Gedanken kommen, die hinteren Treffen oder Reserve jeder Division auf dem hinteren Wege ziehen zu lassen, sondern man wird jeder der Divisionen einen der beiden Wege anweisen und also während des Zuges die eine als die Reserve der anderen betrachten. Wenn ein Heer von 4 Divisionen, davon 3 in der Fronte, die vierte als Reserve aufgestellt wären, gegen den Feind in dieser Ordnung vorrücken soll, so ist es natürlich, jeder der 3 Frontedivisionen einen eigenen Weg anzuweisen und die Reserve der mittelsten folgen zu lassen. Finden sich aber diese drei Wege nicht auf passenden Entfernungen, so würde man unbedenklich auch in zwei Wegen vorrücken können, ohne daß daraus ein merklicher Nachteil entspringen könnte.

Ebenso ist es bei dem umgekehrten Fall der Parallelmärsche.

Ein anderer Punkt ist der Rechts- und Linksabmarsch der Kolonnen. Bei Parallelmärschen ergibt er sich von selbst. Niemand wird rechts abmarschieren, um sich nach der linken Seite hin zu bewegen. Beim Marsch vor- und rückwärts sollte sich die Marschordnung eigentlich nach der Lage des Weges gegen die Linie des künftigen Aufmarsches richten. In der Taktik wird dies auch in vielen Fällen geschehen können, weil ihr Raum kleiner und also die geometrischen Verhältnisse leichter zu übersehen sind. In der Strategie ist dies ganz unmöglich, und wenn wir dennoch hin und wieder aus der Taktik eine gewisse Analogie haben überführen sehen, so war es reine Pedanterie. Obgleich früher die ganze Marschordnung eine rein taktische Sache war, weil das Heer auch im Marsch ein ungeteiltes Ganzes blieb und nur ein Totalgefecht vorstellte, so konnte doch Schwerin z. B., als er den 5. Mai aus der Gegend von Brandeis abmarschierte, nicht wissen, ob ihm sein künftiges Schlachtfeld rechts oder links liegen würde, daher der berühmte Kontremarsch gemacht werden mußte.

Wenn ein Heer der alten Schlachtordnung in 4 Kolonnen gegen den Feind vorrückte, so machten die beiden Kavallerieflügel des ersten und zweiten Treffens die beiden äußeren, die Infanterieflügel beider Treffen die beiden mittleren Kolonnen. Diese Kolonnen konnten nun sämtlich rechts oder sämtlich links, oder der rechte Flügel rechts und der linke links, oder der linke rechts und der rechte links abmarschieren. Im letzteren Falle würde man den Abmarsch »aus der Mitte« genannt haben. Alle diese Formen aber waren im Grunde, ob sie gleich eine Beziehung zum künftigen Aufmarsch haben sollten, gerade in dieser Beziehung gleichgültig. Als Friedrich der Große in die Schlacht von Leuthen ging, war er flügelweis in 4 Kolonnen rechts abmarschiert, daraus entstand mit großer Leichtigkeit der von allen Geschichtschreibern so sehr bewunderte Übergang zum Abmarsch in Treffen, weil es zufällig der österreichische linke Flügel war, den der König angreifen wollte. Hätte er den rechten umgehen wollen, so würde wie bei Prag ein Kontremarsch notwendig geworden sein.

Entsprachen diese Formen schon damals jenem Zweck nicht, so wären sie jetzt in Beziehung auf denselben eine völlige Spielerei. Man kennt jetzt ebensowenig als sonst die Lage des künftigen Schlachtfeldes zum Wege, den man zieht, und der kleine Verlust an Zeit, welcher aus einem falschen Abmarsch entsteht, ist jetzt unendlich weniger wesentlich als sonst. Auch hier hat die neue Schlachtordnung ihren wohltätigen Einfluß; welche Division zuerst ankommt, welche Brigade zuerst ins Feuer geführt wird, ist völlig gleichgültig.

Unter diesen Umständen hat der Rechts- und Linksabmarsch jetzt keinen anderen Wert, als daß er, wenn darin abgewechselt wird, dazu dient, die Mühseligkeiten bei den Truppen auszugleichen. Und dies ist der einzige, aber freilich ein sehr wichtiger Grund, diesen doppelten Abmarsch auch im großen beizubehalten.

Der Abmarsch aus der Mitte fällt unter diesen Umständen als eine bestimmte Ordnung von selbst weg und kann nur zufällig entstehen; ein Abmarsch aus der Mitte bei ein und derselben Kolonne ist in der Strategie ohnehin ein Unding, denn er setzt einen doppelten Weg voraus.

Die Ordnung des Marsches gehört übrigens mehr in das Gebiet der Taktik als der Strategie, denn es ist die Zerlegung eines Ganzen in Glieder, welche nach dem Marsch wieder ein Ganzes werden sollen. Da aber in der neueren Kriegskunst auf das genaue Beisammensein der Teile nicht mehr gesehen wird, sondern diese während des Marsches weiter voneinander entfernt und sich selbst überlassen werden, so können auch viel leichter Gefechte davon die Folge sein, welche die Teile für sich bestehen, und die also als Totalgefechte betrachtet werden müssen; darum haben wir es für nötig gefunden, so viel davon zu sagen.

Übrigens wird, da, wie wir im zweiten Kapitel dieses Buches gesehen haben, eine Aufstellung in drei nebeneinander liegenden Teilen sich, wo keine besonderen Zwecke vorwalten, als die natürlichste ergibt, daraus auch die Marschordnung in drei großen Zügen als die natürlichste hervorgehen.

Wir haben hier jetzt nur noch zu bemerken, daß der Begriff einer Kolonne nicht bloß von dem Wege ausgeht, welchen eine Truppenmasse zieht, sondern daß man in der Strategie auch Truppenmassen so benennen muß, welche in verschiedenen Tagen auf derselben Straße ziehen. Denn die Teilung in Kolonnen entsteht hauptsächlich zur Abkürzung und Erleichterung des Marsches, weil eine kleine Zahl stets schneller und bequemer marschiert als eine große. Dieser Zweck wird aber auch erreicht, wenn die Truppenmasse nicht auf verschiedenen Wegen, aber an verschiedenen Tagen marschiert.

Elftes Kapitel: Fortsetzung

Über das Maß eines Marsches und die dazu erforderliche Zeit ist es natürlich, sich an die allgemeinen Erfahrungssätze zu halten.

Für unsere neueren Heere steht es längst fest, daß ein Marsch von 3 Meilen das gewöhnliche Tagewerk ist, welches bei langen Zügen sogar auf 2 Meilen heruntergesetzt werden muß, um die nötigen Rasttage einschalten zu können, welche für die Herstellung alles schadhaft Gewordenen bestimmt sind.

Bei einer Division von 8000 Mann dauert ein solcher Marsch in ebenen Gegenden und mittelmäßigen Wegen 8 bis 10, in bergigen 10 bis 12 Stunden. Sind mehrere Divisionen in einer Kolonne beisammen, so dauert er noch ein paar Stunden länger, wenn man auch selbst die Zeit abrechnet, welche man die folgenden Divisionen später aufbrechen läßt.

Man sieht also: daß der Tag bei einem solchen Marsch schon ziemlich besetzt ist, daß die Anstrengung des Soldaten, 10 bis 12 Stunden unter seinem Gepäck zu sein, nicht mit einer gewöhnlichen Fußreise von 3 Meilen verglichen werden kann, die ein einzelner bei erträglichen Wegen füglich in 5 Stunden zurücklegen kann.

Zu den stärksten Märschen gehören, wenn sie einzeln vorkommen, 5, höchstens 6 Meilen, auf längere Dauer 4.

Ein Marsch von 5 Meilen erfordert schon einen Halt von mehreren Stunden, und eine Division von 8000 Mann wird ihn auch bei guten Wegen nicht unter 16 Stunden zurücklegen.

Ist der Marsch 6 Meilen, und sind mehrere Divisionen beisammen, so muß man wenigstens 20 Stunden rechnen.

Es ist hier der Marsch gemeint von einem Lager ins andere und bei versammelten Divisionen, denn dies ist die gewöhnliche Form, welche auf dem Kriegstheater vorkommt. Marschieren mehrere Divisionen in einer Kolonne, so wird man die vordersten etwas früher versammeln und abmarschieren lassen, und sie rücken dann auch um so viel früher ins Lager. Indessen kann dieser Unterschied doch niemals die ganze Zeit betragen, welche der Länge einer Division im Marsch entspricht, und welche sie, wie die Franzosen sehr gut sagen, zu ihrem découlement (Ablauf) braucht. Es wird daher für die Anstrengung des Soldaten dadurch wenig erspart und jeder Marsch durch die Menge der Truppen in seiner Dauer sehr verlängert. Die Division selbst auf eine ähnliche Art mit ihren Brigaden in verschiedenen Zeiten zu versammeln und abrücken zu lassen, ist in den wenigsten Fällen anwendbar, und darin liegt der Grund, warum wir sie als Einheit angenommen haben.

Bei langen Reisemärschen, wo die Truppen von einem Quartier ins andere rücken und die Wege in kleinen Abteilungen ohne Versammlungspunkte zurücklegen, kann freilich der Weg an und für sich größer sein; allein er ist es auch schon durch die Umwege, welche die Quartiere verursachen.

Diejenigen Märsche aber, bei welchen die Truppen sich täglich in Divisionen oder gar in Korps versammeln müssen und doch in Quartiere abrücken, kosten die meiste Zeit und sind nur in reichen Gegenden und bei nicht zu großen Truppenmassen ratsam, weil dann die erleichterte Beköstigung und das Obdach einen hinreichenden Ersatz geben für die längere Anstrengung. Die preußische Armee auf ihrem Rückzug 1806 befolgte unstreitig ein fehlerhaftes System, als sie der Verpflegung wegen die Truppen jede Nacht in Quartiere verlegte. Die Verpflegung hätte sich auch in Feldlagern (Biwaks) herbeischaffen lassen, die Armee hätte nicht bei übertriebenen Anstrengungen der Truppen auf etwa 50 Meilen dennoch 14 Tage Zeit nötig gehabt.

Alle jene Zeit- und Längenbestimmungen erleiden aber, wenn schlechte Wege oder bergige Gegenden zu durchziehen sind, solche Veränderungen, daß man Mühe hat, in einem ganz bestimmten Fall die Zeit eines Marsches mit einiger Sicherheit zu schätzen, geschweige denn etwas Allgemeines darüber zu bestimmen. Die Theorie kann daher nur auf die Gefahr der Mißgriffe aufmerksam machen, in weicher man hier schwebt. Um sie zu vermeiden, ist der behutsamste Kalkül nötig und ein großer Spielraum für unvorhergesehene Verzögerungen. Auch das Wetter und der Zustand der Truppen kommen hierbei in Betrachtung.

Seit der Abschaffung der Zelte und seit der Verpflegung der Truppen durch gewaltsame Beitreibung der Lebensmittel an Ort und Stelle ist der Troß der Heere merklich verringert worden, und es ist natürlich die bedeutendste Wirkung davon zunächst in der Beschleunigung ihrer Bewegungen, also in der Vergrößerung des Tagemarsches zu suchen. Dies ist doch nur der Fall unter gewissen Umständen.

Die Märsche auf dem Kriegstheater sind dadurch wenig beschleunigt worden, denn es ist eine bekannte Sache, daß in allen Fällen, wo der Zweck Märsche erforderte, die über das gewöhnliche Maß hinausgingen, der Troß zurückgelassen oder vorausgeschickt und gewöhnlich solange von der Truppe entfernt gehalten wurde, wie diese Bewegungen dauerten; mithin hatte er gewöhnlich auf die Bewegung keinen Einfluß und wurde, sobald er aufhörte, ein unmittelbares Impediment zu sein, wie sehr er auch übrigens dabei leiden mochte, nicht weiter berücksichtigt. Es kommen daher im Siebenjährigen Kriege Märsche vor, die auch jetzt nicht übertroffen werden könnten, und wir wollen zum Beweise den Marsch Lacys 1760 anführen, als er die Diversion der Russen auf Berlin unterstützen sollte. Er legte den Weg von Schweidnitz durch die Lausitz bis Berlin, welcher 45 Meilen beträgt, in 10 Tagen zurück und machte also täglich 4½ Meilen, welches für ein Korps von 15000 Mann auch noch jetzt außerordentlich sein würde.

Von der anderen Seite haben die Bewegungen der neueren Heere eben wegen der veränderten Verpflegungsart wieder ein aufhaltendes Prinzip bekommen. Müssen die Truppen sich ihren Bedarf zum Teil selbst beschaffen, welches oft vorkommt, so brauchen sie dazu mehr Zeit, als zum bloßen Empfang des auf Brotwagen vorrätigen Brotes nötig gewesen wäre. Außerdem kann man die Truppen bei länger dauernden Zügen nicht in so großen Massen auf einem Fleck lagern lassen, sondern man muß die Divisionen voneinander trennen, um leichter für sie Rat zu schaffen; endlich fehlt es auch selten, daß ein Teil des Heeres, namentlich die Reiterei, in Quartiere verlegt wird. Alles dieses verursacht im ganzen einen merklichen Aufenthalt. Wir finden deshalb, daß Bonaparte 1806, als er das preußische Heer verfolgte und abschneiden wollte, und Blücher 1815, als er dieselbe Absicht mit dem französischen hatte, beide nur etwa 30 Meilen in 10 Tagen zurückgelegt haben, eine Geschwindigkeit, die auch Friedrich der Große seinen Märschen aus Sachsen nach Schlesien und zurück trotz allem Troß, welchen er dabei mit sich führte, zu geben wußte.

Indessen haben die Beweglichkeit und Handlichkeit, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, der großen und kleinen Heeresteile auf dem Kriegsschauplatz durch die Verminderung des Trosses doch merklich gewonnen. Teils hat man bei gleicher Anzahl der Reiterei und des Geschützes weniger Pferde, ist also wegen des Futters nicht so oft in Sorgen, teils ist man in seinen Stellungen weniger befangen, weil man nicht immer auf einen lang nachziehenden Schweif des Trosses Rücksicht zu nehmen braucht.

Märsche, wie Friedrich der Große nach der Aufhebung der Belagerung von Olmütz 1758 sie machte mit 4000 Fuhrwerken, zu deren Deckung die halbe Armee in einzelnen Bataillonen und Zügen aufgelöst wurde, dürften jetzt, auch gegen den furchtsamsten Gegner, nicht mehr gelingen.

Auf langen Reisemärschen, vom Tajo bis an den Njemen, ist freilich jene Erleichterung des Heeres fühlbarer; denn wenn auch wegen des übrigen Fuhrwerkes das gewöhnliche Maß des Tagesmarsches dasselbe bleibt, so kann doch in dringenden Fällen mit geringeren Opfern davon abgewichen werden.

Überhaupt liegt in der Verminderung des Trosses mehr eine Ersparung von Kräften als eine Beschleunigung der Bewegungen.

Zwölftes Kapitel: Fortsetzung

Wir haben jetzt den zerstörenden Einfluß zu betrachten, welchen die Märsche auf die Streitkraft üben. Er ist so groß, daß man ihn als ein eigenes tätiges Prinzip neben dem Gefecht aufstellen möchte.

Ein einzelner mäßiger Marsch nutzt das Instrument nicht ab, aber eine Reihe von mäßigen tut es schon und eine Reihe von schwierigen natürlich viel mehr.

Auf der Kriegsbühne selbst sind Mangel an Verpflegung und Unterkommen, schlechte ausgefahrene Wege und der Kothurn beständiger Schlachtfertigkeit die Ursachen der unverhältnismäßigen Kraftanstrengungen, wodurch Menschen, Vieh, Fuhrwerk und Bekleidung zugrunde gerichtet werden.

Man ist gewohnt, zu sagen, daß eine lange Ruhe dem physischen Wohl eines Heeres nicht tauge, daß in demselben mehr Krankheiten entständen als bei mäßiger Tätigkeit. Allerdings können und werden Krankheiten entstehen, wenn der Soldat in engen Quartieren aufeinandergepackt ist, aber diese werden auch entstehen, wenn dies Marschquartiere sind, und niemals kann Mangel an Luft und Bewegung die Ursache solcher Krankheiten sein, da man beides durch Übungen so leicht geben kann.

Man überlege nur, welchen Unterschied es in dem gestörten und schwankenden Organismus eines Menschen macht, ob er auf offener Landstraße in Kot, Schlamm und Regen unter der Last seines Gepäckes oder im Zimmer erkrankt; selbst aus dem Lager wird er bald nach dem nächsten Ort zu schaffen und nicht ganz ohne ärztliche Hilfe sein, während er auf dem Marsch erst stundenlang am Wege ohne irgendeine Unterstützung liegen bleibt und sich dann meilenweit als Nachzügler fortschleppt. Wieviel leichte Krankheiten werden dadurch zu schweren, wieviel schwere zu tödlichen! Man überlege, wie im Staub und dem brennenden Sonnenstrahl des Sommers selbst ein mäßiger Marsch die furchtbarste Erhitzung verursachen kann, in welcher dann, vom glühendsten Durst gepeinigt, der Soldat zum frischen Quell stürzt, um sich Krankheit und Tod zu holen.

Es kann mit dieser Betrachtung nicht unsere Absicht sein, die Tätigkeit im Kriege vermindern zu wollen; für den Gebrauch ist das Instrument da, und nutzt dieser Gebrauch es ab, so ist das in der Natur der Sache; aber wir wollen nur alles an seinen Ort gestellt wissen und jener theoretischen Prahlerei entgegentreten, nach welcher die überwältigendste Überraschung, die schnellste Bewegung, die ruheloseste Tätigkeit nichts kosten sollen, sondern als reiche Minen geschildert werden, welche die Trägheit der Feldherren unbenutzt liegen läßt. Es verhält sich mit der Ausbeute dieser Minen wie mit jener der Gold- und Silbergruben; man sieht nur auf das Produkt und fragt nicht, wieviel die Arbeit wert gewesen, die es zu Tage gefördert.

Bei langen Reisemärschen außer dem Kriegstheater sind zwar die Bedingungen, unter welchen der Marsch geschieht, gewöhnlich leichter und die Verluste der einzelnen Tage geringer, dafür aber ist der leichteste Kranke gewöhnlich auf lange Zeit verloren, weil die Genesenden das immer fortrückende Heer nicht erreichen können.

Bei der Reiterei vermehrt sich die Zahl gedrückter und lahmer Pferde in steigender Progression, und beim Fuhrwerk gerät manches ins Stocken und in Unordnung. Es fehlt daher nie, daß ein Heer nach einem Zuge von 100 Meilen und darüber sehr geschwächt ankommt, besonders an Reiterei und Fuhrwerk.

Werden solche Züge auf dem Kriegstheater selbst, d. h. unter den Augen des Feindes nötig, so fließen die Nachteile beider Verhältnisse zusammen, und die Verluste können bei großen Massen und sonst ungünstigen Verhältnissen ins Unglaubliche steigen.

Nur ein paar Beispiele, um der Vorstellung Bestimmtheit zu geben.

Als Bonaparte den 24. Junius 1812 den Njemen überschritt, war das ungeheure Zentrum, womit er in der Folge gegen Moskau zog, 301000 Mann stark. Bei Smolensk, den 15. August, waren davon entsendet 13500 Mann, es hätte also 287500 Mann stark sein müssen. Sein wirklicher Bestand aber betrug 182000 Mann; der Verlust war also 10550 Mann.* Bedenkt man, daß bis dahin nur zwei namhafte Gefechte vorgekommen waren, eins zwischen Davout und Bagration, das andere zwischen Murat und Tolstoj-Ostermann, so wird man den Verlust des französischen Heeres in Gefechten höchstens auf 1000 Mann anschlagen können, und der, welchen es durch Krankheiten und Nachzügler hatte, betrug also innerhalb 52 Tagen und bei einem geraden Vorrücken von etwa 70 Meilen 95 000 Mann, d. h. ein Dritteil des Ganzen.

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Alle diese Zahlen sind aus dem Chambray genommen.

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Drei Wochen später, zur Zeit der Schlacht von Borodino, betrug dieser Verlust schon 144000 Mann (mit Einschluß der in den Gefechten verlorenen) und 8 Tage darauf in Moskau 19800 Mann. Die Verluste jener Armee überhaupt sind in der ersten jener Perioden täglich 1/150, in der zweiten 1/120 und in der dritten 1/19 des Ganzen in seiner anfänglichen Stärke.

Die Bewegung Bonapartes von dem Übergang über den Njemen bis Moskau ist allerdings eine unaufhaltsame zu nennen, doch muß man nicht vergessen, daß sie 82 Tage gedauert hat, in welchen nur etwa 120 Meilen zurückgelegt sind, und daß das französische Heer zweimal förmlich Halt gemacht hat: einmal bei Wilna etwa 14 Tage, das andere Mal bei Witebsk etwa 11 Tage, in welcher Zeit mancher Nachzügler Zeit hatte, sich wieder anzuschließen. Bei diesem vierzehnwöchentlichem Vorrücken waren Jahreszeit und Wege nicht zu den schlimmsten zu zählen, denn es war Sommer und die Wege, welche man zog, meistens Sand. Aber die große, auf einer Straße vereinigte Truppenmasse, der Mangel an zureichender Verpflegung und ein Gegner, welcher im Rückzug, aber nicht auf der Flucht ist, waren die erschwerenden Bedingungen.

Von dem Rückzuge der französischen Armee, oder richtiger, von ihrem Vorgehen von Moskau bis an den Njemen wollen wir gar nicht sprechen, aber das dürfen wir wohl bemerken, daß die nachrückende russische Armee 120000 Mann stark aus der Gegend von Kaluga abmarschierte und 30000 Mann stark in Wilna eintraf. Wie wenig sie in dieser Zeit in Gefechten eingebüßt, ist jedermann bekannt.

Noch ein Beispiel aus dem nicht durch einen langen Zug, aber durch viele Hin- und Herbewegung sehr ausgezeichneten Feldzug Blüchers 1813 in Schlesien und Sachsen. Das Yorksche Korps desselben fing diesen Feldzug den 16. August etwa 40000 Mann stark an und war am 19. Oktober bei Leipzig noch 12000 Mann. Die Hauptgefechte, welche dieses Korps bei Goldberg, Löwenberg, in der Schlacht an der Katzbach, bei Wartenburg und in der Schlacht bei Möckern (Leipzig) geliefert hatte, kosteten ihm nach den Angaben der besten Schriftsteller etwa 12000 Mann, mithin betrug der übrige Verlust in 8 Wochen 16000 Mann, also 2/5 des Ganzen.

.Man muß sich also auf ein großes Zerstören seiner eigenen Kräfte gefaßt machen, wenn man einen bewegungsreichen Krieg führen will, danach seinen übrigen Plan einrichten und vor allem die Verstärkungen, welche nachrücken sollen.

Dreizehntes Kapitel: Quartiere

In der neueren Kriegskunst sind die Quartiere wieder unentbehrlich geworden, weil weder Zelte noch ein vollständiges Fuhrwesen das Heer unabhängig machen. Hütten- und Freilager (sogenannte Biwaks), wie weit sie auch getrieben werden, können doch nicht die gewöhnliche Art sein, das Heer zu bergen, ohne daß nach Maßgabe des Klimas bald früher, bald später Krankheiten überhandnehmen und die Kräfte desselben vor der Zeit erschöpfen. Der Feldzug in Rußland vom Jahr 1812 ist einer der wenigen, wo in einem sehr rauhen Klima die Truppen während der ganzen 6 Monate seiner Dauer fast gar nicht in Quartiere gelegt worden sind. Welches sind aber auch die Folgen dieser Anstrengung gewesen, die man eine Extravaganz nennen müßte, wenn nicht diese Benennung noch viel mehr der politischen Idee des Unternehmens angehörte!

Zwei Dinge verhindern das Beziehen von Quartieren: die Nähe des Feindes und die Schnelligkeit der Bewegung. Darum werden sie verlassen, sobald die Entscheidung naht und können nicht eher wieder bezogen werden, bis diese Entscheidung vollendet ist.

In den neueren Kriegen, d. h. in allen Feldzügen, die wir seit 25 Jahren vor Augen haben, hat das kriegerische Element mit seiner ganzen Energie gewirkt. Es ist darin in Rücksicht auf Tätigkeit und Kraftanstrengung meistens geschehen, was überhaupt möglich war; alle diese Feldzüge sind aber nur von kurzer Dauer gewesen, sie haben selten ein halbes Jahr, meistens nur einige Monate gebraucht, um ans Ziel zu führen, d. h. zu dem Punkt, wo der Besiegte sich zum Waffenstillstand oder gar zum Frieden genötigt sah, oder auch, wo beim Überwinder die Siegeskraft sich ausgerungen hatte. Innerhalb dieses Zeitraumes der höchsten Anstrengung hat wenig von Quartieren die Rede sein können, denn selbst im siegreichen Zug des Verfolgens, wenn keine Gefahr mehr vorhanden war, hat die Schnelligkeit der Bewegung diese Erleichterung unmöglich gemacht.

Wo aber aus irgendeinem Grunde der Gang der Begebenheiten weniger reißend ist, wo mehr ein gleichgewichtiges Schweben und Abwägen der Kräfte stattfindet, da ist das Unterbringen der Truppen unter Dach und Fach ein Hauptgegenstand der Aufmerksamkeit. Dieses Bedürfnis hat auf die Führung des Krieges selbst einigen Einfluß, teils dadurch, daß man durch ein stärkeres Vorpostensystem, durch eine bedeutendere und weiter vorgeschobene Avantgarde mehr Zeit und Sicherheit zu gewinnen sucht, teils dadurch, daß man sich weniger von den taktischen Vorteilen der Gegend, von den geometrischen Verhältnissen der Linien und Punkte, als von dem Reichtum und Anbau derselben leiten läßt. Eine Handelsstadt von 20 oder 30000 Einwohnern, eine mit großen Dörfern und blühenden Städten dicht besetzte Straße geben eine solche Leichtigkeit in konzentrierter Aufstellung großer Massen, und diese Konzentrierung gibt eine solche Gewandtheit und einen solchen Spielraum, daß dadurch die Vorteile reichlich vergolten werden, die eine bessere Lage des Punktes geben könnte.

Über die Form der Quartieranordnung haben wir nur einige Bemerkungen zu machen, da das meiste dieses Gegenstandes in die Taktik gehört.

Die Unterbringung der Truppen zerfällt in zwei Arten, indem sie entweder die Haupt- oder die Nebensache sein kann. Ist die Aufstellung der Truppen im Laufe des Feldzuges aus bloß taktischen und strategischen Gründen angeordnet, und sind ihnen zur Erleichterung die in der Nähe des Aufstellungspunktes vorhandenen Quartiere angewiesen, welches besonders mit der Kavallerie zu geschehen pflegt, so sind die Quartiere Nebensache und vertreten die Stelle des Lagers, müssen also in einem solchen Umkreise genommen sein, daß die Truppen die Aufstellung zur rechten Zeit erreichen können. Bezieht aber das Heer Erholungsquartiere, so ist die Unterbringung der Truppen die Hauptsache, und die übrigen Maßregeln, also auch die speziellere Wahl des Aufstellungspunktes, müssen sich danach richten.

Die erste Frage, welche hier zu berücksichtigen ist, betrifft die Form des ganzen Quartierbezirkes. Gewöhnlich ist diese Form ein sehr gedehntes Oblongum, gleichsam eine bloße Vergrößerung der taktischen Schlachtordnung. Der Versammlungspunkt befindet sich vor demselben und das Hauptquartier dahinter. Diese drei Bestimmungen sind nun gerade der sicheren Versammlung des Ganzen vor der Ankunft des Feindes sehr hinderlich, fast entgegengesetzt.

Je mehr die Quartiere ein Quadrat oder gar einen Kreis bilden, um so schneller lassen sich die Truppen in einem Punkt, nämlich dem Mittelpunkt, vereinigen. Je weiter der Versammlungspunkt zurückgelegt wird, um so später erreicht ihn der Feind, um so längere Zeit verbleibt uns zur Versammlung. Ein Versammlungspunkt hinter den Quartieren kann niemals in Gefahr kommen. Je weiter aber umgekehrt das Hauptquartier vorgelegt wird, um so eher langen die Meldungen an, um so besser ist der Befehlshaber von allem unterrichtet. Indessen sind jene Bestimmungen nicht ohne Gründe, die mehr oder weniger Rücksicht verdienen.

Mit der Ausdehnung der Quartiere in die Breite beabsichtigt man die Deckung des Landes, welches sonst der Feind zu Lieferungen benutzen möchte. Allein dieser Grund ist weder völlig wahr noch sehr wichtig. Er ist nur wahr, wenn von den äußersten Flügeln die Rede ist und nicht von dem Zwischenraume, welcher zwischen zwei Armeeabteilungen entsteht, wenn sich ihre Quartiere mehr um ihren Versammlungspunkt herumziehen; denn in diesen Zwischenraum wird sich kein feindlicher Haufen hineinwagen. Er ist nicht sehr wichtig, weil es einfachere Mittel gibt, die in unserer Nähe befindlichen Bezirke der Gegend den feindlichen Ausschreibungen zu entziehen, als das Verzetteln des Heeres selbst.

Das Vorlegen der Versammlungspunkte hat die Absicht, die Quartiere zu decken. Dies hängt so zusammen. Erstlich hinterläßt eine Truppe, die eiligst unter das Gewehr tritt, in ihrem Quartier immer einen Schweif von Nachziehenden, Kranken, Bagage, Vorräten u. dgl., die dem Feinde leicht in die Hände fallen könnten, wenn die Aufstellung rückwärts genommen wird. Zweitens muß man besorgen, daß der Feind, wenn er mit Kavallerieabteilungen der Avantgarde vorbeigeht, oder diese überhaupt gesprengt worden wäre, in die vereinzelten Regimenter und Bataillons fallen würde. Eine aufgestellte Truppe, auf die er stößt, wenn sie auch schwach ist und am Ende überwältigt werden muß, bringt ihn doch zum Stehen, und es wird Zeit gewonnen.

Was die Lage des Hauptquartiers betrifft, so hat man geglaubt, dasselbe könne niemals genug gesichert sein.

Nach diesen verschiedenen Rücksichten würden wir glauben, daß die beste Einrichtung der Quartierbezirke die wäre, wo sie ein dem Quadrat oder Kreis sich näherndes Oblongum einnehmen, den Versammlungspunkt in der Mitte haben und das Hauptquartier bei einigermaßen beträchtlichen Massen in der vorderen Reihe.

Was bei der Aufstellung im allgemeinen von der Deckung der Flügel gesagt ist, bleibt auch hier wahr, daher werden von der Hauptmacht rechts und links abgesonderte Korps ihren eigenen Versammlungspunkt mit der Hauptmacht in gleicher Höhe auch dann noch haben, wenn man ein gemeinschaftliches Schlagen beabsichtigt.

Wenn man übrigens bedenkt, daß die Natur der Gegend von der einen Seite durch vorteilhafte Abschnitte des Bodens den natürlichen Aufstellungspunkt, von der anderen durch Städte und Ortschaften die Lage der Quartiere bestimmt, so wird man wohl einsehen, wie selten die geometrische Gestalt dabei entscheidet; nötig aber war es doch, darauf aufmerksam zu machen, weil sie, wie alle allgemeine Gesetze, bald mehr, bald weniger vorherrschend sich durch die Allgemeinheit der Fälle fortzieht.

Was sich ferner noch über die vorteilhafte Lage der Quartiere sagen läßt, besteht in der Wahl eines deckenden Abschnittes der Gegend, um die Quartiere hinter demselben zu beziehen, während die feindliche Seite von kleinen, aber zahlreichen Haufen beobachtet wird, oder das Beziehen derselben hinter Festungen, die unter solchen Umständen, wo man die Stärke ihrer Besatzung nicht schätzen kann, dem Feinde weit mehr Achtung und Vorsicht einflößen.

Von den befestigten Winterquartieren behalten wir uns vor, in einem eigenen Artikel zu reden.

Verschieden von den Quartieren einer stehenden Truppe sind die einer marschierenden dadurch, daß sie zur Vermeidung der Umwege sich wenig ausbreiten, sondern der Straße entlang ziehen, welches, wenn es das Maß eines kleinen Tagemarsches nicht überschreitet, nichts weniger als der schnellen Versammlung ungünstig ist.

In allen Fällen, wo man sich vor dem Feinde befindet, wie der Kunstausdruck ist, d. h. in allen Fällen, wo kein beträchtlicher Zwischenraum zwischen den gegenseitigen Avantgarden ist, bestimmt die Ausdehnung der Quartiere und die Zeit, welche zur Versammlung der Truppen erforderlich ist, die Stärke und Stellung der Avantgarde und Vorposten; oder wo diese durch den Feind und die Umstände bedingt sind, wird umgekehrt die Ausdehnung der Quartiere von der Zeit abhängen, welche der Widerstand der Vorhut uns gewährt.

Wie man sich diesen Widerstand im Falle vorgeschobener Korps denken muß, haben wir im dritten Kapitel dieses Buches gesagt. Von der Zeit desselben muß man die Zeit der Benachrichtigung und des Ausrückens der Truppen abziehen, und nur was übrig bleibt, ist die Zeit, welche zum Vereinigungsmarsch verwendet werden kann.

Um auch hier am Schluß unsere Vorstellungen in einem Resultat zu fixieren, wie es sich unter den gewöhnlichsten Bedingungen ergibt, wollen wir bemerken, daß, wenn die Quartiere die Entfernung der Avantgarde zum Radius hätten und der Versammlungspunkt ziemlich in der Mitte der Quartiere läge, die durch den Aufenthalt des feindlichen Vorrückens gewonnene Zeit zur Benachrichtigung und zum Ausrücken übrigbleiben würde, welches in den meisten Fällen zureichend sein dürfte, wenn auch die Benachrichtigung nicht durch Fanale, Signalschüsse u. dgl., sondern durch bloße Ordonnanzrelais geschieht, welches allein die gehörige Sicherheit gibt.

Man würde also bei einer drei Meilen weit vorgeschobenen Avantgarde einen Raum von etwa 30 Quadratmeilen mit den Quartieren einnehmen können. In einem mäßig bevölkerten Lande findet man auf diesem Raum etwa 10000 Feuerstellen, welches für ein Heer von 50000 Mann nach Anrechnung der Avantgarde etwa 4 Mann auf die Feuerstelle, also sehr bequem, und bei einem doppelt so starken Heer 9 Mann auf die Feuerstelle, also immer noch nicht ganz enge Quartiere geben würde. Dagegen wird man, wenn die Avantgarde nicht mehr als eine Meile hätte vorgeschoben werden können, nur einen Raum von 4 Quadratmeilen bekommen; denn obgleich der Zeitgewinn nicht in eben dem Maße abnimmt wie die Entfernung der Avantgarde, und man bei der Entfernung einer Meile noch etwa auf 6 Stunden Zeit würde rechnen können, so muß doch auch die Behutsamkeit bei solcher Nähe des Feindes zunehmen. Es würde ein Heer von 50000 Mann in solchem Raum aber nur in einem sehr bevölkerten Landstrich einigermaßen Unterkommen finden.

Man sieht wohl, welche entscheidende Rolle große oder wenigstens bedeutende Städte hierbei spielen, welche Gelegenheit geben, 10 bis 20000 Mann fast auf einem Punkt unterzubringen.

Aus diesem Resultat würde sich ergeben, daß, wenn man dem Feinde nicht zu nahe steht und bei einer gehörigen Avantgarde, man selbst gegen einen versammelten Feind in Quartieren bleiben könnte, wie auch Friedrich der Große im Anfang des Jahres 1762 bei Breslau und Bonaparte 1812 bei Witebsk getan hat. Allein wenn man auch selbst gegen einen versammelten Feind bei gehöriger Entfernung und zweckmäßigen Anstalten für die Sicherheit des Zusammenkommens nichts zu besorgen hätte, so muß man doch nicht vergessen, daß ein Heer, welches beschäftigt ist, sich eiligst zu versammeln, in dieser Zeit nichts anderes tun kann; daß es also nicht imstande ist, die sich ergebenden Umstände augenblicklich zu benutzen, wodurch ihm der größere Teil seiner Wirkungsfähigkeit genommen wird. Die Folge ist, daß ein Heer sich nur in den folgenden drei Fällen vollständig in Quartieren verlegen wird:

1. wenn der Feind es gleichfalls tut;

2. wenn der Zustand der Truppen es durchaus notwendig macht;

3. wenn die nächste Tätigkeit desselben sich durchaus auf die Verteidigung einer starken Stellung beschränkt, und es also auf nichts anderes ankommt, als die Truppen zur rechten Zeit in derselben zu versammeln.

Ein recht merkwürdiges Beispiel von der Versammlung eines kantonierenden Heeres gibt der Feldzug von 1815. General Zieten mit der Avantgarde Blüchers von 30000 Mann stand bei Charleroi, nur 2 Meilen von Sombreffe, wo die Versammlung des Heeres beabsichtigt war. Die weitesten Quartiere des Heeres waren von Sombreffe etwa 8 Meilen, nämlich auf der einen Seite über Ciney hinaus, auf der anderen bis gegen Lüttich hin. Gleichwohl waren die über Ciney hinaus verlegten Truppen mehrere Stunden vor dem Anfang der Schlacht von Ligny dort versammelt, und die gegen Lüttich hin verlegten (das Bülowsche Korps) würden es ohne Zufall und fehlerhafte Einrichtung in der Benachrichtigung auch gewesen sein.

Unstreitig war für die Sicherheit des preußischen Heeres nicht gehörig gesorgt; man muß aber zur Erklärung sagen, daß jene Verhältnisse angenommen worden waren, als das französische Heer selbst noch in weitläuftigen Quartieren stand, und daß der Fehler nur darin bestand, sie nicht in dem Augenblick geändert zu haben, als man die erste Nachricht von Bewegungen im feindlichen Heer und der Ankunft Bonapartes bei demselben erhielt.

Immer bleibt es merkwürdig, daß das preußische Heer möglicherweise noch hätte bei Sombreffe vor dem Angriff des Feindes vereinigt sein können. Zwar erhielt Blücher den 14. nachts, also 12 Stunden, ehe der General Zieten wirklich angegriffen wurde, Nachricht vom Vorrücken des Feindes und fing seine Versammlung an; allein den 15. früh 9 Uhr stand General Zieten schon in vollem Feuer, und in diesem Augenblick kam dem General Thielmann in Ciney erst der Befehl zu, nach Namur zu marschieren. Er mußte also sein Korps erst in Divisionen versammeln und dann 6½ Meilen bis Sombreffe zurücklegen, welches in 24 Stunden geschah. Auch General Bülow hätte um diese Zeit eintreffen können, wenn ihn der Befehl gehörig getroffen hätte.

Bonaparte aber kam nicht vor 2 Uhr mittags am 16. dazu, seinen Angriff auf Ligny zu machen. Die Besorgnis, Wellington auf der einen, Blücher auf der anderen Seite gegen sich zu haben, mit anderen Worten das Mißverhältnis der Macht trug zu dieser Langsamkeit bei; man sieht aber, wie selbst der entschlossenste Feldherr durch das behutsame Herumtasten aufgehalten wird, welches bei einigermaßen verwickelten Fällen immer unvermeidlich ist.

Ein Teil der hier aufgestellten Betrachtungen ist offenbar mehr taktischer als strategischer Natur; wir haben aber lieber etwas hinübergreifen wollen, als uns in der Gefahr befinden, nicht klar zu sein.

Vierzehntes Kapitel: Der Unterhalt

Dieser hat in den neueren Kriegen eine viel größere Wichtigkeit bekommen, und zwar aus zwei Gründen: einmal, weil die Heere im allgemeinen doch sehr viel größer sind als die des Mittelalters und selbst die der alten Welt; denn wenn auch ab und zu Heere vorkommen, die den neueren an Umfang gleichen oder sie auch weit übertreffen, so sind das doch seltene, vorübergehende Erscheinungen, während in der neueren Kriegsgeschichte seit Ludwig XIV. die Heere immer sehr zahlreich gewesen sind. Der zweite Grund aber ist noch viel wichtiger und der neueren Zeit eigentümlicher. Er besteht nämlich in dem stärkeren inneren Zusammenhang unserer Kriege, in der beständigen Schlachtfertigkeit der Streitkräfte, die sie führen. Die meisten älteren Kriege bestehen aus einzelnen, unzusammenhängenden Unternehmungen, welche durch Pausen voneinander getrennt waren, in denen der Krieg faktisch entweder ganz ruhte und nur politisch noch vorhanden war, oder wo die Streitkräfte wenigstens sich so weit voneinander entfernt hatten, daß jede ohne Rücksicht auf die ihr entgegenstehende nur ihren Bedürfnissen nachging.

Die neueren Kriege, d. h. die seit dem Westfälischen Frieden, haben durch das Bestreben der Regierungen eine regelmäßige, zusammenhängendere Gestalt bekommen, der kriegerische Zweck herrscht überall vor und fordert auch in Rücksicht des Unterhalts solche Einrichtungen, daß ihm überall Genüge geschehen könne. Zwar haben die Kriege des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts auch große Pausen der Waffenruhe, die einem gänzlichen Aufhören des Krieges nahekommen, nämlich die regelmäßigen Winterquartiere, allein immer bleiben doch auch diese dem kriegerischen Ziel untergeordnet; es ist die schlechte Jahreszeit, aber nicht der Unterhalt der Truppen, welche dazu veranlaßt, und da sie regelmäßig mit dem eintretenden Sommer aufhören, so ist wenigstens während der guten Jahreszeit die ununterbrochene kriegerische Handlung erforderlich.

Wie überall die Übergänge von einem Zustand und einer Verfahrungsweise zur anderen stufenweise stattgefunden haben, so ist das auch hier der Fall. In den Kriegen gegen Ludwig XIV. pflegten die Verbündeten ihre Truppen während der Winterquartiere noch in entferntere Provinzen zu versenden, um sie leichter unterhalten zu können; in den Schlesischen Kriegen kommt das schon nicht mehr vor.

Diese regelmäßige und zusammenhängende Gestalt der kriegerischen Handlung wurde den Staaten hauptsächlich erst möglich, indem sie an die Stelle der Lehnsheere die Söldner treten ließen. Die Lehnspflicht wurde nun in einer Abgabe verwandelt, und der persönliche Dienst fiel entweder ganz weg, indem Werbung an die Stelle trat, oder er blieb nur in der ganz geringen Volksklasse, indem der Adel die Rekrutenstellung (wie noch jetzt in Rußland und Ungarn) als eine Art von Abgabe, als eine Menschensteuer betrachtete. In jedem Fall wurden nun die Heere, wie wir das schon anderswo gesagt haben, ein Instrument des Kabinetts, dessen Hauptbasis der Schatz oder das Geldeinkommen der Regierung war.

Gerade dieselbe Bewandnis, welche es mit der Aufstellung und beständigen Ergänzung der Streitkraft hatte, mußte es mit ihrem Unterhalt nehmen. Hatte man die Stände gegen Geldentschädigung von dem ersteren entbunden, so konnte man ihnen das letztere nicht auf einem so kurzen Umwege wieder aufbürden. Das Kabinett, der Schatz, mußte also für den Unterhalt des Heeres Sorge tragen und durfte es im eigenen Lande nicht auf Unkosten desselben leben lassen. Die Regierungen mußten also auch den Unterhalt der Streitkräfte ganz als ihre eigene Sache ansehen. Auf diese Weise wurde der Unterhalt auf eine doppelte Weise schwieriger; einmal, indem er Sache der Regierung wurde, und dann, weil die Streitkräfte immer im Angesicht der feindlichen bleiben sollten.

Es wurde also nicht bloß ein selbständiges Kriegsvolk, sondern auch eine selbständige Einrichtung seiner Ernährung geschaffen und so weit ausgebildet, als es nur immer gehen wollte.

Es wurden nicht bloß die Vorräte zum Unterhalt entweder durch Geld oder Dominiallieferungen, also von entlegenen Punkten herbeigeschafft und in Magazinen aufgehäuft, sondern auch von diesen zu den Truppen vermittelst eines eigenen Fuhrwesens hingeschafft, in ihrer Nähe vermittelst eigener Bäckerei verbacken und dann wieder vermittelst eines anderen, den Truppen zuletzt selbst beigegebenen Fuhrwesens von diesen abgeholt. Wir werfen einen Blick auf dieses System, nicht bloß weil es die Eigentümlichkeit der Kriege erklärt, in welchen es bestanden hat, sondern weil es nie ganz aufhören kann, und einzelne Bestandteile desselben immer wieder vorkommen werden.

So strebte also die Kriegseinrichtung dahin, immer unabhängiger von Volk und Land zu werden.

Die Folge war, daß der Krieg auf diese Weise zwar regelmäßiger, zusammenhängender, dem kriegerischen, d. h. dem politischen Zweck untergeordneter wurde, aber zugleich auch in seinen Bewegungen viel beschränkter und zwangsvoller und in seiner Energie unendlich geschwächt. Denn nun war man an Magazine gebunden, auf die Wirkungskreise des Fuhrwesens beschränkt, und es war nichts natürlicher, als daß das Ganze die Richtung nahm, den Unterhalt des Heeres so sparsam als möglich einzurichten. Der Soldat, genährt durch ein kümmerliches Stückchen Brot, wankte oft wie ein Schatten umher, und keine Aussicht auf einen Wechsel des Glückes tröstete ihn im Augenblick der Entbehrung.

Wer diese kümmerliche Ernährung des Soldaten für eine gleichgültige Sache ausgeben will und nur daran denkt, was Friedrich der Große mit seinen so verpflegten Soldaten getan hat, der sieht den Gegenstand nicht mit voller Unbefangenheit an. Die Kraft, zu entbehren, macht beim Soldaten eine der schönsten Tugenden aus, und ohne sie gibt es kein Heer von wahrhaft kriegerischem Geist, aber dies Entbehren muß vorübergehend, durch die Gewalt der Umstände geboten sein und nicht die Folge eines ärmlichen Systems oder einer kärglichen, abstrakten Berechnung der Notdurft. In diesem Fall wird es immer die Kraft des Individuums physisch und moralisch schwächen. Was Friedrich der Große mit seinem Kriegsvolk ausgerichtet hat, kann uns nicht zum Maßstab dienen, denn teils stand ihm dasselbe System entgegen, teils wissen wir nicht, wieviel mehr er unternommen hätte, wenn er sein Kriegsvolk so hätte leben lassen können, wie Bonaparte das seinige leben ließ, sooft es die Umstände erlaubten.

Nur bis auf den Unterhalt der Pferde hatte man das künstliche Verpflegungssystem niemals auszudehnen gewagt, weil dieser des Volumens wegen viel mehr Schwierigkeiten des Transportes hat. Eine Ration wiegt ungefähr zehnmal soviel wie eine Portion, die Zahl der Pferde ist aber bei einem Heer nicht etwa 1/10 der Menschen, sondern noch jetzt ¼ bis 1/3 und war sonst 1/3 bis ½, also das Gewicht der Rationen drei-, vier- oder fünfmal so groß wie das der Portionen; darum suchte man dies Bedürfnis gerade auf die allerunmittelbarste Weise zu befriedigen, nämlich durch Fouragierungen. Diese Fouragierungen nun legten der Kriegführung auf eine andere Art einen großen Zwang an: einmal, indem sie einen Hauptgegenstand daraus machten, daß der Krieg auf feindlichem Gebiet geführt werde, zweitens, indem sie nicht verstatteten, zu lange in einer Gegend zu verbleiben. Indessen hatten doch die Fouragierungen zur Zeit der Schlesischen Kriege schon sehr abgenommen; man fand darin eine viel größere Verwüstung und Anstrengung der Gegend, als wenn man das Bedürfnis durch Lieferungen und Beitreibungen aus der Gegend befriedigte.

Als die französische Revolution mit einemmal wieder eine Volkskraft auf die Kriegsbühne führte, zeigten sich die Mittel der Regierungen nicht mehr genügend, und das ganze Kriegssystem, welches aus der Beschränktheit dieser Mittel entsprang und in dieser Beschränktheit wieder seine Sicherheit fand, wurde gesprengt, und mit dem Ganzen denn auch der Teil, von dem wir hier handeln, nämlich das System des Unterhalts. Ohne sich viel um Magazine zu bekümmern, und noch weniger an eine Einrichtung dieses künstlichen Uhrwerkes denkend, welches die verschiedenen Abteilungen des Fuhrwesens wie ein Räderwerk umlaufen ließ, sandten die Revolutionsführer ihre Soldaten ins Feld, trieben ihre Generale in die Schlacht, ernährten, stärkten, belebten, reizten alles durch Beitreiben, Rauben und Plündern dessen, was sie brauchten.

Zwischen diesen beiden Extremen ist der Krieg unter und gegen Bonaparte in der Mitte geblieben, d. h. er hat von den Mitteln jeder Art das benutzt, was ihm zusagte; und so wird es auch für die Folge wohl bleiben.

Auch bei der neueren Verpflegungsart der Truppen, d. h. indem man alles, was die Gegend nur irgend darbietet, ohne Rücksicht auf mein und dein benutzt, gibt es vier verschiedene Wege, nämlich: die Ernährung durch den Wirt, durch Beitreibungen, welche die Truppen selbst besorgen, durch allgemeine Ausschreibungen und durch Magazine. Alle vier gehen gewöhnlich miteinander, wobei denn eine vorzuherrschen pflegt, doch kommt auch der Fall vor, daß nur eine ganz allein angewendet wird.

1. Die Ernährung durch den Wirt oder die Gemeinde, welches dasselbe ist. Bedenkt man, daß in einer Gemeinde, selbst wenn sie wie die großen Städte nur aus Konsumenten besteht, doch immer Lebensmittel auf mehrere Tage vorrätig sein müssen, so sieht man wohl ein, daß auch die volkreichste Stadt imstande sein wird, eine Einquartierung, die ihrer Volkszahl nahekommt, auf einen Tag zu ernähren, und wenn die Einquartierung viel schwächer ist, auf mehrere Tage, ohne daß besondere Voranstalten nötig wären. Dies gibt bei beträchtlichen Städten ein sehr genügendes Resultat, weil man eine beträchtliche Truppenmasse auf einem Punkte ernähren kann. Bei kleineren Städten oder gar bei Dörfern aber würde das Resultat sehr ungenügend sein; denn eine Bevölkerung von 3 bis 4000 Menschen auf die Quadratmeile, die schon sehr beträchtlich ist, würde nur die Ernährung von 3 bis 4000 Mann geben, welches bei beträchtlichen Massen eine so weitläuftige Verteilung der Truppen erfordern würde, daß die anderen Bedingungen dabei schwerlich bestehen könnten. Allein auf dem flachen Lande und selbst in kleinen Städten ist die Masse derjenigen Lebensmittel, auf die es im Kriege ankommt, sehr viel größer; der Brotvorrat eines Bauern reicht für seine Familie, eins ins andere gerechnet, gewöhnlich auf 8 bis 14 Tage hin; Fleisch kann täglich beschafft werden, Gemüse sind gewöhnlich bis zur nächsten Ernte vorhanden. Es hat daher in Quartieren, die noch nicht belegt gewesen sind, keine Schwierigkeit, das Drei- bis Vierfache der Bevölkerung auf einige Tage zu ernähren, welches denn wieder ein sehr genügendes Resultat gibt. Eine Kolonne von 30000 Mann würde hiernach bei einer Bevölkerung von 2 bis 3000 Seelen, wenn keine beträchtliche Stadt mitbelegt werden kann, etwa 4 Quadratmeilen Raum nötig haben, dies würde eine Seitenausdehnung von 2 Meilen geben. Man würde also mit einer Armee von 90000 Köpfen, die man etwa auf 75000 Kombattanten rechnen könnte, wenn sie in drei Kolonnen nebeneinander marschierte, nur eine Breite von 6 Meilen einzunehmen haben, im Fall sich auf dieser Breite drei Straßen fänden.

Folgen sich in ein solches Quartier mehrere Kolonnen hintereinander, so muß von den Ortsbehörden besonders Rat geschafft werden, welches aber für das Bedürfnis von einem oder ein paar Tagen mehr nicht schwer hält. Es würden also, wenn die obigen 90000 Mann von ebensoviel um einen Tag später gefolgt würden, auch diese noch nicht Not leiden, welches schon die beträchtliche Masse von 150000 Kombattanten gibt.

Das Futter für die Pferde hat noch weniger Schwierigkeit, denn es bedarf keiner Vermahlung und Verbackung, und da für die Pferde des Landes die Unterhaltsmittel bis zur nächsten Ernte vorhanden sein müssen, so wird selbst da, wo wenig Stallfütterung ist, doch nicht leicht Mangel vorhanden sein; nur muß freilich die Futterlieferung von der Gemeinde und nicht vom Wirt gefordert werden. Es versteht sich übrigens, daß einige Rücksichten vorausgesetzt werden, die man bei der Anordnung des Marsches auf die Natur der Gegend nimmt, um nicht in Handels- und Fabrikorten und Gegenden gerade die Reiterei hinzuweisen.

Das Resultat dieses flüchtigen Blickes ist also, daß man in einem mittelmäßig bevölkerten Lande, nämlich von 2 bis 3000 Seelen auf die Quadratmeile, mit einem Heer von 150000 Kombattanten in sehr geringer, ein gemeinschaftliches Schlagen nicht ausschließender Ausdehnung seinen Unterhalt auf ein bis zwei Tage bei den Wirten und Gemeinden linden werde; d. h. also, daß man ein solches Heer auf einem ununterbrochenen Marsch ohne Magazine und andere Vorbereitungen erhalten kann.

Auf dieses Resultat haben sich die Unternehmungen der französischen Heere im Revolutionskriege und unter Bonaparte gestützt. Sie sind von der Etsch bis an die untere Donau und vom Rhein bis an die Weichsel vorgedrungen, ohne viel andere Verpflegungsmittel zu haben als die des Wirtes, und ohne je Not zu leiden. Da ihre Unternehmungen auf physische und moralische Überlegenheit gestützt, von unzweifelhaften Erfolgen begleitet, wenigstens in keinem Fall durch Unentschlossenheit und Behutsamkeit verzögert wurden, so war die Bewegung in ihrer Siegesbahn meistens die eines unausgesetzten Marsches.

Sind die Umstände weniger günstig, ist die Bevölkerung nicht so groß, oder besteht sie mehr aus Gewerbsleuten als Bauern, ist der Boden schlecht, die Gegend schon mehrere Male mitgenommen, so wird natürlich das Resultat heruntergehen. Bedenkt man aber, daß, indem man die Seitenausdehnung einer Kolonne von 2 auf 3 Meilen steigen läßt, man gleich mehr als das Doppelte, nämlich statt vier neun Quadratmeilen Oberfläche bekommt, und daß dies immer noch eine Ausdehnung ist, die in gewöhnlichen Fällen das gemeinschaftliche Schlagen zuläßt, so sieht man wohl, daß auch selbst unter ungünstigen Umständen bei unausgesetzter Bewegung diese Ernährungsart immer noch möglich bleiben wird.

Sowie aber ein Stillstand von mehreren Tagen eintritt, müßte die größte Not entstehen, wenn nicht auf andere Weise vorgekehrt würde. Diese Vorkehrungen bestehen nun in zwei Einrichtungen, ohne welche ein beträchtliches Heer auch jetzt nicht bleiben kann. Die erste ist ein den Truppen zugegebenes Fuhrwesen, wodurch Brot oder Mehl als der notwendigste Teil des Unterhalts auf einige, d. h. drei bis vier Tage mitgenommen werden kann; rechnet man dazu drei bis vier Tage, die der Soldat selbst trägt, so entsteht immer Sicherheit für acht Tage des notdürftigsten Unterhalts.

Die zweite Einrichtung ist die eines gehörigen Kommissariats, welches in jedem Augenblick der Rast aus entfernten Gegenden Vorräte herbeizieht, so daß man in jedem Augenblick aus dem System der Quartierverpflegung in ein anderes übergehen kann.

Die Verpflegung durch die Quartiere hat den unendlichen Vorteil, daß sie gar keiner Transportmittel bedarf und in der kürzesten Zeit geleistet wird; aber freilich setzt sie voraus, daß in der Regel alle Truppen in Quartieren untergebracht werden.

2. Verpflegung durch Beitreibung der Truppen. Wenn ein einzelnes Bataillon ein Lager bezieht, so kann dies allenfalls in der Nähe einiger Dörfer geschehen, und diese können angewiesen werden, ihm die Lebensmittel zu liefern; dann wäre die Verpflegung im wesentlichen von der vorigen nicht verschieden. Wenn aber, wie gewöhnlich, die Truppenmasse, welche auf einem Punkt lagern soll, viel stärker ist, so bleibt nichts anderes übrig, als für ein größeres Ganze, z. B. eine Brigade oder Division, das Erforderliche gemeinschaftlich aus gewissen Bezirken beizutreiben und dann zu verteilen.

Der erste Blick zeigt, daß mit diesem Verfahren der Unterhalt für beträchtliche Heere niemals zu beschaffen ist. Die Ausbeute aus den Vorräten des Landes wird viel geringer sein, als wenn die Truppen in demselben Bezirk Quartiere bezogen hätten; denn wo 30 oder 40 Mann dem Bauer in das Haus dringen, werden sie, wo es fehlt, auch das letzte beizutreiben wissen; ein Offizier aber, der mit ein paar Leuten abgeschickt wird, um Lebensmittel beizutreiben, hat weder Zeit noch Mittel, alle Vorräte so aufzusuchen; oft wird es auch an Transportmitteln fehlen: er wird also nur einen geringen Teil des Vorhandenen herbeischaffen können. Von der anderen Seite sind in Lagern die Truppenmassen dergestalt auf einen Punkt gehäuft, daß die Bezirke, aus denen in der Geschwindigkeit beigetrieben werden kann, zu unbedeutend für das ganze Bedürfnis sind. Was will es sagen, wenn 30000 Mann in der Runde von einer Meile, also von einer 3 bis 4 Quadratmeilen betragenden Oberfläche, Lebensmittel herbeitreiben! Und doch werden sie das selten können, denn die meisten der nächsten Dörfer werden von einzelnen Truppenteilen belegt sein, die nichts verabfolgen lassen wollen. Endlich wird bei dieser Art am meisten verschwendet, weil einzelne über das Maß bekommen, viel ungenossen verloren geht usw.

Das Resultat ist also, daß die Verpflegung durch solche Beitreibungen nur mit Erfolg stattfinden kann bei nicht zu großen Truppenmassen, etwa bei einer Division von 8 bis 10000 Mann, und daß man sie auch hier nur als ein notwendiges Übel eintreten lassen wird.

Unvermeidlich ist sie gewöhnlich bei allen unmittelbar vor dem Feinde stehenden Abteilungen, wie Avantgarde und Vorposten, im Fall der vorschreitenden Bewegung, weil diese auf Punkte kommen, wo gar keine Vorbereitungen getroffen werden konnten, und gewöhnlich von den für das übrige Heer gesammelten Vorräten zu entfernt sind; ferner bei Streifkorps, die sich selbst überlassen sind; endlich in allen Fällen, wo zufällig keine Zeit und Mittel zu einer anderen Verpflegung waren.

Je mehr die Truppe zu einer regelmäßigen Ausschreibung eingerichtet ist, je mehr Zeit und Umstände erlauben, in diese Verpflegungsweise überzugehen, um so besser wird das Resultat sein. Aber es ist meistens die Zeit, welche fehlt, denn was die Truppen sich unmittelbar verschaffen, geht ihnen viel schneller zu.

3. Durch regelmäßige Ausschreibungen. Dies ist unstreitig das einfachste und wirksamste Mittel der Verpflegung, welches auch die Grundlage aller neueren Kriege ausgemacht hat.

Von der vorigen Art unterscheidet sich diese vorzüglich durch die Mitwirkung der Landesbehörden. Es soll nicht mehr der Vorrat gewaltsam genommen werden, wo er sich gerade findet, sondern vermittelst einer vernünftigen Verteilung ordnungsmäßig geliefert. Diese Verteilung können nur die Landesbehörden machen.

Hier kommt alles auf die Zeit an. Je mehr Zeit vorhanden ist, um so allgemeiner kann die Verteilung werden, um so weniger wird sie drücken, um so regelmäßiger wird der Erfolg sein. Selbst Ankäufe mit barem Gelde können zu Hilfe genommen werden, und diese Verpflegungsart wird sich dadurch der folgenden nähern. Bei allen Versammlungen der Streitkräfte im eigenen Lande hat dies keine Schwierigkeit, und in der Regel auch nicht bei rückgängigen Bewegungen. Dagegen bleibt bei allen Bewegungen in eine Gegend hinein, in deren Besitz wir noch nicht sind, sehr wenig Zeit zu solchen Einrichtungen übrig; gewöhnlich nur der eine Tag, welchen die Avantgarde dem Heere voraus zu sein pflegt. Mit dieser ergehen dann an die Landesbehörde die Aufforderungen, wieviel Portionen und Rationen sie hier und dort in Bereitschaft halten soll. Da diese nur aus der nächsten Gegend, d. h. ein paar Meilen im Umkreise des bestimmten Punktes herbeigeschafft werden können, so würden bei beträchtlichen Heeren diese in der Eil gemachten Anhäufungen bei weitem nicht reichen, wenn das Heer nicht auf mehrere Tage mitbrächte. Es ist also Sache der Kommissariate, mit dem Erhaltenen zu wirtschaften und nur denjenigen Truppenteilen zu geben, welche nichts haben. Mit jedem der folgenden Tage aber wird die Verlegenheit abnehmen; denn wachsen die Entfernungen, aus denen die Lebensmittel herbeigeschafft werden können wie die Anzahl der Tage, so wächst die Oberfläche und folglich das Resultat wie die Quadrate. Haben am ersten Tag nur 4 Quadratmeilen liefern können, so können am folgenden 16, am dritten 36 liefern; also am zweiten 12 mehr als am ersten, am dritten 20 mehr als am zweiten.

Daß dies nur eine Andeutung der Verhältnisse ist, versteht sich von selbst, denn es treten dabei viel beschränkende Umstände ein, wovon der hauptsächlichste ist, daß die Gegend, aus welcher das Heer eben kommt, nicht in dem Maße mitwirken kann wie die anderen. Aber von der anderen Seite muß man auch bedenken, daß die Lieferungsradien sich um mehr als 2 Meilen täglich erweitern können, vielleicht 3, 4 und an manchen Orten noch mehr.

Daß diese ausgeschriebenen Lieferungen, wenigstens dem größeren Teile nach, wirklich erfolgen, dafür sorgt die exekutive Gewalt einzelner Detachements, welche den Beamten beigegeben sind, noch mehr aber die Furcht vor Verantwortlichkeit, Strafe und Mißhandlung, welche in solchen Fällen wie ein allgemeiner Druck auf die ganze Bevölkerung zu lasten pflegt.

Übrigens kann es nicht unsere Absicht sein, die näheren Einrichtungen, das ganze Uhrwerk des Kommissariats- und Verpflegungswesens anzugeben, wir haben bloß das Resultat im Auge.

Dieses Resultat, welches sich uns aus dem Blick des gesunden Menschenverstandes auf die allgemeinen Verhältnisse ergeben und durch die Erfahrung der seit der Revolution geführten Kriege bewährt hat, ist also, daß auch das beträchtlichste Heer, wenn es auf einige Tage Lebensmittel mit sich führt, unbedenklich durch solche Ausschreibungen ernährt werden kann, welche erst im Augenblick des Eintreffens eintreten, zuerst die nächste Gegend treffen und dann mit der Zeit in immer weiteren Kreisen ausgedehnt, von immer höheren Standpunkten angeordnet werden.

Dieses Mittel hat keine anderen Grenzen als die Erschöpfung, Verarmung und Zerstörung des Landes. Da nun bei einem längeren Aufenthalt die Anordnungen bis zu den höchsten Landesstellen hinaufsteigen, und diese natürlich alles tun werden, um die Last so gleichmäßig als möglich zu verteilen, durch Käufe den Druck zu erleichtern, da auch selbst der fremde kriegführende Staat in diesem Fall nicht so roh und rücksichtslos zu sein pflegt, wenn er lange in unserem Lande verweilt, durchaus die ganze Last des Unterhaltes diesem aufzubürden, so pflegt das Lieferungssystem sich nach und nach von selbst dem System der Magazine zu nähern, ohne darum ganz aufzuhören, noch den Einfluß, den es auf die kriegerischen Bewegungen hat, merklich zu ändern; denn es ist etwas ganz anderes, wenn die Kräfte der Gegend durch Vorräte, die man aus größeren Entfernungen herbeischafft, wieder ergänzt werden, das Land aber selbst das eigentliche Organ der Heeresverpflegung bleibt, oder wenn das Heer wie in den Kriegen des achtzehnten Jahrhunderts seinen ganz selbständigen Haushalt besorgt, und das Land der Regel nach gar nichts damit zu tun hat.

Zwei Dinge machen den Hauptunterschied aus: nämlich die Benutzung des Landesfuhrwesens und der Landesbäckereien. Dadurch fällt jener ungeheure, sein eigenes Werk fast immer zerstörende Troß des Armeefuhrwesens weg.

Zwar wird auch jetzt kein Heer ganz ohne Verpflegungsfuhrwesen sein können, allein dies ist unendlich viel geringer und dient gewissermaßen nur, den Überfluß des einen Tages auf den anderen zu übertragen. Besondere Verhältnisse, wie die in Rußland 1812, haben auch in der neueren Zeit zu einem gewaltigen Wagentroß zwingen können, und auch Feldbäckereien hat man mitnehmen müssen; allein teils sind dies Ausnahmen, denn wie selten wird der Fall vorkommen, daß 300000 Mann fast auf einer einzigen Straße 130 Meilen weit vordringen, und das in einem Lande wie Polen und Rußland und kurz vor der Ernte, teils werden auch in solchen Fällen die bei dem Heere getroffenen Anstalten nur als Aushilfen und die Lieferungen der Gegend mithin immer als die Grundlage der ganzen Verpflegung betrachtet werden.

Seit den ersten Feldzügen des französischen Revolutionskrieges ist also das Lieferungssystem bei den französischen Heeren beständig jene Grundlage gewesen, und auch die ihnen entgegenstehenden Verbündeten haben darin übergehen müssen, und es ist schwerlich zu erwarten, daß man je davon zurückkommen könne. Kein anderes gibt solche Resultate, sowohl was die Energie der Kriegführung als ihre Leichtigkeit und Ungezwungenheit betrifft. Weil man für die ersten 3 bis 4 Wochen gewöhnlich in keiner Verlegenheit ist, wohin man sich auch wendet, und später durch Magazine nachgeholfen werden kann, so kann man wohl sagen, daß der Krieg auf diese Weise die vollkommenste Freiheit gewonnen hat. Zwar werden die Schwierigkeiten in einer Richtung größer sein als in einer anderen, und dies kann in der Waagschale der Überlegung etwas gelten, aber niemals wird man auf eine absolute Unmöglichkeit stoßen, und niemals wird die Rücksicht, die man dem Unterhalt widmet, gebieterisch entscheiden. Nur ein Verhältnis macht hiervon eine Ausnahme; es sind die Rückzüge in Feindes Land. Hier treffen sehr viel der Verpflegung ungünstige Bedingungen zusammen. Die Bewegung ist eine fortschreitende, und zwar gewöhnlich ohne sonderlichen Aufenthalt, es ist also keine Zeit, Vorräte zusammenzubringen; die Umstände, unter welchen man einen solchen Rückzug antritt, sind meistens schon sehr ungünstig, man ist also genötigt, stets in Masse beisammenzubleiben, und es kann darum gewöhnlich von keiner Verteilung in Quartieren oder von einer beträchtlichen Ausbreitung in den Kolonnen die Rede sein; das feindliche Verhältnis des Landes erlaubt nicht, durch bloße Ausschreibungen ohne exekutive Gewalt Vorräte zusammenzubringen, und endlich ist der Moment an sich noch besonders geeignet, den Widerstand und üblen Willen der Landesbewohner herauszufordern. Alles dies macht, daß man in solchen Fällen in der Regel auf die eingerichteten Verbindungs- und Rückzugslinien beschränkt ist.

Als Bonaparte 1812 seinen Rückzug antreten wollte, konnte dies durchaus nur auf der Straße geschehen, auf welcher er gekommen war, und zwar wegen des Unterhalts, weil er auf jeder anderen noch früher und unzweifelhafter zugrunde gegangen wäre, und alles, was sogar französische Schriftsteller Tadelndes darüber gesagt haben, ist auf das äußerste unverständig.

4. Der Unterhalt aus Magazinen. Sollte diese Verpflegungsart sich von der vorigen noch generisch unterscheiden, so könnte es nur bei einer solchen Einrichtung sein, wie sie in dem letzten Drittel des siebzehnten und während des achtzehnten Jahrhunderts stattgefunden hat. Wird diese Einrichtung je wiederkehren können?

Freilich begreift man kaum, wie es anders sein könnte, wenn man sich den Krieg mit großen Heeren 7, 10, 12 Jahre lang auf einer Stelle gebannt denkt, wie das in den Niederlanden, am Rhein, in Oberitalien, in Schlesien und Sachsen vorgekommen ist; denn welches Land könnte so lange das Hauptorgan des Unterhalts der gegenseitigen Heere bleiben, ohne völlig zugrunde zu gehen, also seinen Dienst nach und nach zu versagen?

Aber hier entsteht natürlich die Frage: wird der Krieg das Verpflegungssystem oder das Verpflegungssystem den Krieg bestimmen? Wir antworten: zuerst wird das Verpflegungssystem den Krieg bestimmen, soweit es die übrigen Bedingungen, von denen er abhängt, gestatten; wo diese aber anfangen, zu viel Widerstand zu leisten, wird der Krieg auf das Verpflegungssystem zurückwirken und in diesem Fall also dasselbe bestimmen.

Der auf das Lieferungssystem und die örtliche Verpflegung gegründete Krieg hat eine solche Überlegenheit über den Krieg mit der reinen Magazinverpflegung, daß dieser gar nicht mehr als dasselbe Instrument erscheint. Kein Staat wird es also wagen, mit diesem gegen jenen aufzutreten, und gäbe es irgendwo einen Kriegsminister, der beschränkt und unwissend genug wäre, die allgemeine Notwendigkeit dieser Verhältnisse zu verkennen und das Heer bei Eröffnung des Krieges auf die alte Weise auszurüsten, so würde die Gewalt der Umstände den Feldherrn bald mit sich fortreißen, und das Lieferungssystem sich von selbst hervordrängen. Bedenkt man dabei noch, daß der große Kostenaufwand, welchen eine solche Einrichtung verursacht, notwendig den Umfang der Rüstungen, die Masse der Streitkräfte verringern muß, weil kein Staat überflüssig mit Geld versehen ist, so läßt dies fast keine andere Möglichkeit einer solchen Ausrüstung zu, als wenn etwa beide kriegführende Parteien sich diplomatisch darüber einigen wollten, ein Fall, der als ein bloßes Spiel der Vorstellungen betrachtet werden muß.

Es werden also die Kriege fortan wohl immer mit dem Lieferungssysteme anfangen; wieviel die eine oder andere der Regierungen tun will, um dasselbe durch künstliche Einrichtungen zu ergänzen, ihr eigenes Land mehr zu schonen usw., mag dahingestellt bleiben; allzuviel wird es wohl nicht sein, weil man in solchen Augenblicken immer auf die dringendsten Bedürfnisse zuerst geführt wird und ein künstliches Verpflegungswesen zu diesen nicht mehr gehört.

Wenn nun aber ein Krieg in seinen Erfolgen nicht so entscheidend, in seinen Bewegungen nicht so weit ausgreifend ist, als es eigentlich in seiner Natur liegt, so wird das Lieferungssystem anfangen, die Gegend dergestalt zu erschöpfen, daß man entweder Frieden schließen oder Einrichtungen zur Erleichterung des Landes und zum unabhängigen Unterhalt des Heeres treffen muß. Dies letztere war der Fall der Franzosen unter Bonaparte in Spanien; aber viel häufiger wird das erstere eintreten. In den meisten Kriegen nimmt die Erschöpfung der Staaten so sehr zu, daß sie, anstatt auf den Gedanken einer kostbareren Kriegführung zu kommen, vielmehr zu der Notwendigkeit des Friedens hingedrängt sein werden. So wird denn die neuere Kriegführung auch von dieser Seite zu dem Resultat führen, die Kriege abzukürzen.

Wir wollen indessen die Möglichkeit von Kriegen mit der alten Verpflegungseinrichtung nicht ganz allgemein leugnen; wo die Natur der Verhältnisse von beiden Seiten hindrängt, und andere begünstigende Umstände eintreten, wird sie sich vielleicht einmal wieder zeigen; aber wir können nur in dieser Form niemals einen naturgemäßen Organismus finden; sie ist vielmehr nur eine Abnormität, welche die Umstände zulassen, die aber aus der eigentlichen Bedeutung des Krieges nie hervorgehen kann. Noch weniger können wir diese Form deswegen, weil sie menschenfreundlicher ist, für eine Vervollkommnung des Krieges halten, denn der Krieg ist selbst nichts Menschenfreundliches.

Welche Verpflegungsweise aber auch gewählt werden mag, so ist es natürlich, daß sie in reichen und bevölkerten Gegenden leichter wird als in armen und menschenleeren. Daß auch die Bevölkerung dabei in Betrachtung kommt, liegt in der doppelten Beziehung, welche sie auf die im Lande vorhandenen Vorräte hat; einmal, indem da, wo viel verzehrt wird, auch viel vorrätig sein muß, zweitens, indem in der Regel auch bei größerer Bevölkerung eine größere Produktion ist. Hiervon machen nun freilich solche Bezirke, die vorzüglich von Fabrikarbeitern bevölkert sind, eine Ausnahme, besonders wenn sie, wie das nicht selten der Fall ist, in Gebirgstälern bestehen, die von unfruchtbarem Boden umgeben sind; allein in der Allgemeinheit der Fälle ist es immer sehr viel leichter, in einem bevölkerten Lande für die Bedürfnisse eines Heeres zu sorgen als in einem menschenarmen. 400 Quadratmeilen, auf denen 400000 Menschen leben, werden, wenn sie auch noch so fruchtbaren Boden haben, gewiß nicht so leicht 100000 Köpfe eines Heeres übertragen können als 400 Quadratmeilen, auf denen 2 Millionen leben. Dazu kommt, daß in sehr bevölkerten Ländern Straßen- und Wasserverbindungen häufiger und besser, die Mittel des Transportes reichlicher, die Handelsverbindungen leichter und sicherer sind. Mit einem Wort: es ist unendlich viel leichter, ein Heer in Flandern als in Polen zu ernähren.

Die Folge ist, daß der Krieg mit seinem vierfachen Saugrüssel sich am liebsten auf Hauptstraßen, in volkreichen Städten, fruchtbaren Tälern großer Ströme oder längs der Küste befahrener Meere niedersenkt.

Hieraus wird die allgemeine Einwirkung klar, welche der Unterhalt des Heeres auf die Richtung und Form der Unternehmungen, auf die Wahl der Kriegstheater und der Verbindungslinien haben kann.

Wie weit dieser Einfluß gehen, welchen Wert die Schwierigkeit oder Leichtigkeit des Unterhalts in der Rechnung bekommen darf, das hängt freilich sehr von der Art ab, wie der Krieg geführt werden soll. Geschieht dies in seinem eigentlichsten Geist, d. h. mit der ungezügelten Stärke seines Elementes, mit dem Drange und Bedürfnis nach Kampf und Entscheidung, so ist der Unterhalt des Heeres eine wichtige, aber untergeordnete Sache; findet aber ein Äquilibrieren statt, wo die Heere in derselben Provinz viele Jahre hin- und herziehen, dann wird die Verpflegung oft die Hauptsache, der Intendant wird der Feldherr und die Leitung des Krieges eine Administration der Wagen.

So gibt es unzählige Feldzüge, wo nichts geschehen, der Zweck verfehlt, die Kräfte unnütz verbraucht sind und alles mit dem Mangel an Lebensmitteln entschuldigt wird; dagegen pflegte Bonaparte zu sagen: qu'on ne me parle pas des vivres!

Freilich hat dieser Feldherr im russischen Feldzuge evident gemacht, daß man diese Rücksichtslosigkeit zu weit treiben kann, denn, um nicht zu sagen, daß sein ganzer Feldzug vielleicht bloß dadurch zuschanden geworden ist, welches doch am Ende eine Vermutung bleiben würde, so ist doch außer Zweifel, daß er dem Mangel an Rücksicht auf den Unterhalt beim Vorgehen das unerhörte Zusammenschmelzen seines Heeres und beim Zurückgehen den gänzlichen Untergang desselben zu verdanken hat.

Aber ohne in Bonaparte den leidenschaftlichen Spieler zu verkennen, der sich oft in ein tolles Extrem wagt, kann man doch wohl sagen, daß er und die ihm vorangegangenen Revolutionsfeldherren in Betrachtung der Verpflegung ein mächtiges Vorurteil beiseite geschafft und gezeigt haben, daß diese nie anders als unter dem Gesichtspunkt einer Bedingung, also niemals als Zweck betrachtet werden müsse.

Übrigens verhält es sich mit der Entbehrung im Kriege wie mit der körperlichen Anstrengung und der Gefahr; die Forderungen, welche der Feldherr an sein Heer machen kann, sind durch keine bestimmten Linien begrenzt; ein starker Charakter fordert mehr als ein weichlicher Gefühlsmensch; auch die Leistungen des Heeres sind verschieden, je nachdem Gewohnheit, kriegerischer Geist, Vertrauen und Liebe zum Feldherrn oder Enthusiasmus für die Sache des Vaterlandes den Willen und die Kräfte des Soldaten unterstützen. Aber das sollte man wohl als Grundsatz aufstellen können, daß Entbehrung und Not, wie hoch sie auch gesteigert werden mögen, immer nur als vorübergehende Zustände betrachtet werden, und daß sie zu reichlichem Unterhalt, ja auch wohl einmal zum Überfluß führen müssen. Gibt es etwas Rührenderes als den Gedanken an soviel tausend Soldaten, die, schlecht gekleidet, mit einem Gepäck von 30 bis 40 Pfund belastet, sich auf tagelangen Märschen in jedem Wetter und Wege mühsam fortschleppen, Gesundheit und Leben unaufhörlich auf das Spiel setzend, und dafür nicht in trockenem Brote sich sättigen können? Wenn man weiß, wieviel dies im Kriege vorkommt, so begreift man in der Tat kaum, wie es nicht öfter zum Versagen des Willens und der Kräfte führt, und wie eine bloße Richtung der Vorstellungen im Menschen fähig ist, durch ihr nachhaltiges Wirken solche Anstrengungen hervorzurufen und zu unterstützen.

Wer also dem Soldaten große Entbehrungen auferlegt, weil große Zwecke es fordern, der wird, sei es aus Gefühl oder aus Klugheit, auch die Entschädigung im Auge haben, die er ihm dafür zu anderen Zeiten schuldig ist.

Jetzt haben wir noch des Unterschiedes zu gedenken, welcher im Betreff des Unterhaltes beim Angriff und der Verteidigung stattfindet.

Die Verteidigung ist imstande, von den Vorbereitungen, die sie zur Verpflegung hat treffen können, während des Aktes ihrer Verteidigung ununterbrochen Gebrauch zu machen. Es kann also dem Verteidiger nicht wohl an dem Notwendigen fehlen; im eigenen Lande wird dies vorzugsweise der Fall sein, aber auch im feindlichen bleibt es wahr. Der Angriff aber entfernt sich von seinen Hilfsquellen und muß, solange sein Vorschreiten dauert, und selbst in den ersten Wochen seines Innehaltens, von einem Tage zum anderen das Nötige beschaffen, wobei es denn selten ohne Mangel und Verlegenheit abgeht.

Zweimal pflegt diese Schwierigkeit am größten zu werden. Einmal beim Vorgehen, ehe die Entscheidung gefallen ist; dann sind die Vorräte des Verteidigers noch alle in seinen Händen, und der Angreifende hat die seinigen hinter sich lassen müssen; er muß seine Massen zusammendrängen und kann also keinen großen Raum einnehmen, selbst sein Fuhrwesen hat ihm nicht mehr folgen können, sobald die Schlachtbewegungen ihren Anfang genommen haben. Sind in diesem Augenblick nicht gute Vorbereitungen getroffen, so geschieht es leicht, daß die Truppen einige Tage vor der entscheidenden Schlacht Mangel und Not haben, welches denn nicht das Mittel ist, sie gut in die Schlacht zu führen.

Das zweite Mal entsteht der Mangel vorzugsweise am Ende der Siegesbahn, wenn die Verbindungslinien anfangen, zu lang zu werden, besonders wenn der Krieg in einem armen, menschenleeren, vielleicht auch feindselig gesinnten Lande geführt wird. Welch ein ungeheurer Unterschied zwischen einer Verbindung von Wilna auf Moskau, wo jede Fuhre mit Gewalt herbeigeschafft werden muß, oder von Köln über Lüttich, Löwen, Brüssel, Mons, Valenciennes, Cambrai nach Paris, wo ein kaufmännischer Auftrag, ein Wechsel hinreicht, Millionen von Rationen herbeizuschaffen.

Schon oft sind die Folgen dieser Schwierigkeit gewesen, daß der Glanz der herrlichsten Siege erlischt, die Kräfte abmagern, der Rückzug notwendig wird und dann nach und nach alle Symptome einer wahren Niederlage annimmt.

Das Futter der Pferde, welches anfangs, wie wir gesagt haben, am wenigsten zu fehlen pflegt, wird, wenn eine Erschöpfung der Gegend eintritt, zuerst mangeln, denn es ist wegen seines Volumens am schwersten aus der Ferne herbeizuschaffen, und das Pferd ist durch Mangel viel schneller zugrunde gerichtet als der Mensch. Aus diesem Grunde kann eine zu zahlreiche Reiterei und Artillerie einem Heere eine wahre Last und ein wirkliches Schwächungsprinzip werden.

Fünfzehntes Kapitel: Operationsbasis

Wenn ein Heer von den Punkten seiner Entstehung zu einer Unternehmung vorschreitet, sei es der Angriff des Feindes und seines Kriegstheaters oder die Aufstellung an den Grenzen des eigenen, so bleibt es von jenen Quellen in einer notwendigen Abhängigkeit und muß die Verbindung mit ihnen unterhalten, denn sie sind die Bedingungen seines Daseins und Bestehens. Diese Abhängigkeit wächst intensiv und extensiv mit der Größe des Heeres. Nun ist es aber weder immer möglich noch erforderlich, daß das Heer mit dem ganzen Lande in unmittelbarer Verbindung bleibe, sondern nur mit dem Stück davon, welches sich gerade hinter ihm befindet und folglich durch seine Stellung gedeckt ist. In diesem Teil des Landes werden dann, soweit es nötig ist, besondere Anlagen von Vorräten gemacht und Veranstaltungen zur regelmäßigen Fortschaffung der Ergänzungskräfte getroffen. Dieses Stück des Landes ist also die Grundlage des Heeres und aller seiner Unternehmungen, es muß mit demselben als ein Ganzes betrachtet werden. Sind die Vorräte zu größerer Sicherheit derselben in befestigten Orten angelegt, so wird der Begriff einer Basis dadurch verstärkt, aber er entsteht nicht erst dadurch, denn in einer Menge von Fällen findet dies nicht statt.

Aber auch ein Stück des feindlichen Landes kann die Grundlage eines Heeres ausmachen oder wenigstens mit dazugehören, denn wenn ein Heer im feindlichen Lande vorgerückt ist, werden eine Menge Bedürfnisse aus dem eingenommenen Teile desselben gezogen; aber die Bedingung ist in diesem Fall, daß man wirklich Herr dieses Landstrichs, d. h. der Befolgung seiner Anordnungen gewiß sei. Diese Gewißheit reicht aber selten weiter, als soweit man die Einwohner durch kleine Garnisonen und hin- und herziehende Haufen in Furcht halten kann, und dies ist gewöhnlich ziemlich beschränkt. Die Folge ist also, daß im feindlichen Lande die Gegend, aus welcher man Bedürfnisse aller Art ziehen kann, in Beziehung auf den Bedarf des Heeres sehr beschränkt ist und meistens nicht ausreicht; daß also das eigene Land viel geben muß, und daß folglich immer wieder dasjenige Stück desselben, welches sich hinter dem Heere befindet, als ein notwendiger Bestandteil der Basis in Betrachtung kommen muß.

Die Bedürfnisse eines Heeres muß man in zwei Klassen unterscheiden: nämlich die, welche jede angebaute Gegend gibt, und andere, die es nur aus den Quellen seiner Entstehung ziehen kann. Die ersten sind hauptsächlich Unterhalts- und die zweiten Ergänzungsmittel. Die ersteren kann also auch das feindliche Land, die letzteren in der Regel nur das eigene liefern, z. B. Menschen, Waffen und meistens auch Munition. Wenn auch in einzelnen Fällen Ausnahmen von diesem Unterschied vorkommen, so sind sie doch selten und unbedeutend, und jene Unterscheidung bleibt sehr wichtig und beweist von neuem, daß die Verbindung mit dem eigenen Lande unentbehrlich ist.

Die Ernährungsvorräte werden meistens in offenen Orten gesammelt, sowohl im feindlichen als im eigenen Lande, weil es nicht soviel Festungen gibt, wie dazu erforderlich sein würden, die viel größere Masse dieser sich schnell verzehrenden, bald hier, bald dort erforderlichen Vorräte aufzunehmen, und weil ihr Verlust leichter zu ersetzen ist; dagegen werden Vorräte der Ergänzung, also an Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenständen, in der Nähe des Kriegstheaters nicht leicht in offenen Orten niedergelegt, sondern lieber aus größeren Entfernungen herbeigeholt, im feindlichen Lande aber nie anders als in Festungen. Auch dieser Umstand macht, daß die Wichtigkeit der Basis mehr von den Ergänzungs- als Ernährungsmitteln herrührt.

Je mehr nun die Mittel beider Art, ehe sie ihre Anwendung erreichen, in großen Niederlagen zusammengebracht werden, je mehr sich also alle einzelne Quellen in große Reservoire vereinigen, um so mehr können diese als die Stellvertreter des ganzen Landes betrachtet werden, und der Begriff der Basis wird sich um so mehr auf diese großen Vorratsorte hauptsächlich beziehen; aber niemals kann das so weit gehen, daß sie allein für die Basis genommen werden könnten.

Sind diese Quellen der Ergänzung und Ernährung sehr reich, d. h. sind es große und reiche Länderstriche, sind sie zu schnellerer Wirksamkeit in größeren Anlagen gesammelt, sind sie auf die eine oder andere Weise gedeckt, liegen sie dem Heere nahe, führen gute Straßen zu ihnen, breiten sie sich weit hinter dem Heere aus oder umfassen dasselbe sogar teilweise, so entsteht daraus teils ein kräftigeres Leben für das Heer, teils eine größere Freiheit seiner Bewegungen. Diese Vorteile der Lage eines Heeres hat man in eine einzige Vorstellung zusammenfassen wollen, nämlich in der Größe der Operationsbasis. Mit dem Verhältnis dieser Basis zum Ziel der Unternehmungen, mit dem Winkel, den ihre Endpunkte mit diesem Ziel, als Punkt gedacht, machen, hat man die ganze Summe der Vorteile und Nachteile ausdrücken wollen, die einer Armee aus der Lage und Beschaffenheit ihrer Ernährungs- und Ergänzungsquellen erwachsen; aber es fällt in die Augen, daß diese geometrische Eleganz eine Spielerei ist, da sie auf einer Reihe von Substitutionen beruht, die alle auf Kosten der Wahrheit gemacht werden mußten. Die Basis eines Heeres bildet, wie wir gesehen haben, eine dreifache Abstufung, in welcher sich das Heer befindet: die Hilfsmittel der Gegend, die auf einzelnen Punkten gemachten Vorratsanlagen und das Gebiet, aus dem diese Vorräte sich sammeln. Diese drei Dinge sind örtlich getrennt, lassen sich nicht auf eins zurückführen und am wenigsten durch eine Linie vertreten, welche die Breitenausdehnung der Basis vorstellen soll, und die, meistens ganz willkürlich, entweder von der einen Festung zur anderen oder von einer Provinzialhauptstadt zur anderen oder längs den politischen Landesgrenzen gedacht wird. Auch ein bestimmtes Verhältnis jener drei Abstufungen läßt sich nicht feststellen, denn in der Wirklichkeit vermischen sich ihre Naturen immer mehr oder weniger. In dem einen Fall gibt die Umgegend mancherlei Ergänzungsmittel, die man sonst nur aus großer Ferne herbeizuziehen pflegt; in dem anderen ist man genötigt, sogar die Lebensmittel von weither kommen zu lassen. Hier sind die nächsten Festungen große Waffenplätze, Häfen, Handelsorte, die die Streitkräfte eines ganzen Staates in sich vereinigen, dort sind sie nichts als eine dürftige Umwallung, die sich kaum selbst genügt.

Die Folge ist gewesen, daß alle Folgerungen, welche man aus der Größe der Operationsbasis und der Operationswinkel gezogen, und das ganze System der Kriegführung, was man darauf gebaut hat, soweit es geometrischer Natur war, nie die kleinste Rücksicht in dem wirklichen Kriege gewonnen und in der Ideenwelt nur verkehrte Bestrebungen veranlaßt hat. Weil aber der Grund der Vorstellungsreihe wahr ist, und nur die Entwicklungen falsch sind, so wird diese Ansicht sich leicht und oft wieder vordrängen.

Wir glauben also, daß man dabei stehen bleiben muß, den Einfluß der Basis auf die Unternehmungen, daß und auf welche Weise sie stark und schwach sein kann, überhaupt anzuerkennen: daß es aber kein Mittel gibt, dies bis auf ein paar Vorstellungen als brauchbare Regel zu vereinfachen, sondern daß man in jedem einzelnen Fall alle Dinge, welche wir genannt haben, zugleich im Auge haben muß.

Sind die Anstalten zur Ergänzung und Ernährung des Heeres einmal in einem gewissen Bezirk und für eine gewisse Richtung getroffen, so ist selbst im eigenen Lande nur dieser Bezirk als die Basis des Heeres zu betrachten, und da eine Veränderung damit immer Zeit und Kraftaufwand nötig macht, so kann auch im eigenen Lande das Heer seine Basis nicht von einem Tage zum anderen verlegen, und darum ist es auch in der Richtung seiner Unternehmungen immer mehr oder weniger beschränkt. Wenn man also bei Unternehmungen im feindlichen Lande die ganze eigene Landesgrenze gegen dasselbe als die Basis des Heeres betrachten wollte, so könnte das wohl im allgemeinen gelten, insofern überall Einrichtungen getroffen werden könnten, aber nicht für jeden gegebenen Augenblick, weil nicht überall Einrichtungen getroffen sind. Als anfangs des Feldzuges von 1812 das russische Heer sich vor dem französischen zurückzog, konnte es freilich ganz Rußland als seine Basis um so mehr betrachten, als die großen Dimensionen dieses Landes dem Heer überall, wohin es sich auch wandte, große Flächenräume darbot. Diese Vorstellung war nicht illusorisch, sondern sie trat ins Leben, als später andere russische Heere von mehreren Seiten gegen das französische vordrangen; allein für jeden gegebenen Zeitabschnitt des Feldzuges war doch die Basis des russischen Heeres nicht ebenso groß, sondern sie war hauptsächlich in den Straßen vorhanden, auf welche der ganze Traktus der Transporte zum Heer und von demselben zurück eingerichtet war. Diese Beschränktheit verhinderte z. B. das russische Heer, nachdem es sich bei Smolensk 3 Tage geschlagen hatte, den weiter nötig gewordenen Rückzug in einer anderen Richtung als auf Moskau anzutreten und sich, wie man vorgeschlagen hatte, plötzlich gegen Kaluga zu wenden, um den Feind von Moskau abzuziehen. Eine solche veränderte Richtung wäre nur möglich gewesen, insofern sie lange vorgesehen war. Wir haben gesagt, daß die Abhängigkeit von der Basis mit der Größe des Heeres extensiv und intensiv wächst, welches an sich verständlich ist. Das Heer gleicht einem Baume; aus dem Boden, worauf er wächst, zieht er seine Lebenskräfte; ist er klein und ein bloßer Strauch, so kann er leicht verpflanzt werden, dies wird aber schwierig und immer schwieriger, je größer er wird. Ein kleiner Haufe hat auch seine Lebenskanäle, aber er schlägt leicht Wurzel, wo er sich befindet, nicht so ein zahlreiches Heer. Wenn also von dem Einfluß der Basis auf die Unternehmungen die Rede ist, so muß allen Vorstellungen immer der Maßstab zum Grunde liegen, welchen die Größe des Heeres angibt.

Ferner ist es in der Natur der Dinge, daß für das augenblickliche Bedürfnis die Ernährung, für das allgemeine Bestehen durch längere Zeiträume aber die Ergänzung wichtiger ist, weil die letztere nur aus bestimmten Quellen fließt, die erstere aber auf mannigfaltige Weise beschafft werden kann; dies bestimmt wieder den Einfluß näher, welchen die Basis auf die Unternehmungen haben wird.

So groß nun dieser Einfluß sein kann, so darf man doch nie vergessen, daß er zu denjenigen gehört, welche viel Zeit brauchen, ehe sie eine entscheidende Wirkung haben, und daß also immer die Frage ist, was in dieser Zeit geschehen kann. Der Wert der Operationsbasis wird also bei der Wahl einer Unternehmung von vornherein selten entscheiden, er wird es wenigstens nur dann, wenn man das Unmögliche fordert. Die bloße Schwierigkeit, welche von dieser Seite entstehen kann, muß mit den anderen wirksamen Mitteln zusammengestellt und verglichen werden; oft sinken diese Hindernisse vor der Kraft entscheidender Siege zusammen.

Sechzehntes Kapitel: Verbindungslinien

Die Straßen, welche von dem Standpunkt einer Armee aus nach denjenigen Punkten zurückgehen, in welchen sich ihre Unterhalts- und Ergänzungsquellen hauptsächlich vereinigen, und die sie in allen gewöhnlichen Fällen auch zu ihrem Rückzugspunkt wählt, haben eine doppelte Bedeutung: einmal sind sie Verbindungslinien zur beständigen Alimentierung der Streitkräfte, und dann Rückzugsstraßen.

Wir haben in dem vorigen Kapitel gesagt, daß eine Armee, ungeachtet sie bei der jetzigen Verpflegungsart sich hauptsächlich aus der Gegend ernährt, in welcher sie steht, mit ihrer Basis doch als ein Ganzes angesehen werden müsse. Die Verbindungslinien gehören zu diesem Ganzen, sie machen den Zusammenhang zwischen der Basis und der Armee aus und sind als soviel Lebensadern anzusehen. Lieferungen aller Art, Munitionstransporte, hin- und herziehende Detachements, Posten und Kuriere, Hospitäler und Depots, Munitionsreserve, Administrationsbehörden sind Gegenstände, die diese Straßen unaufhörlich bedecken und deren Gesamtwert von entscheidender Wichtigkeit für das Heer ist.

Diese Lebenskanäle dürfen also weder bleibend unterbrochen werden, noch zu lang und beschwerlich sein, weil immer etwas von der Kraft auf dem langen Wege verlorengeht und ein siechhafter Zustand des Heeres die Folge davon wird.

In der zweiten Bedeutung, nämlich als Rückzugsstraßen, konstituieren sie im eigentlichen Sinn den strategischen Rücken des Heeres.

In beiden Bedeutungen kommt es bei dem Wert dieser Straßen auf ihre Länge, ihre Anzahl, ihre Lage, nämlich ihre allgemeine Richtung und ihre Richtung nahe bei der Armee, ihre Beschaffenheit als Straße, die Schwierigkeit des Bodens, das Verhältnis und die Stimmung der Einwohner und endlich auf ihre Deckung durch Festungen oder Hindernisse der Gegend an.

Aber nicht alle Straßen und Wege, welche von dem Standpunkt eines Heeres nach den Quellen seines Lebens und seiner Kraft führen, gehören zu seinen eigentlichen Verbindungslinien. Sie können freilich allenfalls dazu benutzt und als ein Subsidium des Systems der Verbindungslinien betrachtet werden, aber dieses System beschränkt sich auf die dazu eingerichteten Straßen. Nur diejenigen Straßen, auf denen man seine Niederlagen, seine Hospitäler, seine Etappen, seine Briefposten eingerichtet, seine Kommandanten bestellt, seine Gendarmen und Besatzungen verteilt hat, können als die wahren Verbindungslinien angesehen werden. Aber hier tritt ein sehr wichtiger und oft übersehener Unterschied ein zwischen dem eigenen und dem feindlichen Heere. Das Heer im eigenen Lande wird zwar auch seine eingerichtete Verbindungslinie haben, aber es ist nicht durchaus darauf beschränkt und kann im Fall der Not davon abspringen und jede andere Straße wählen, die überhaupt noch vorhanden ist; denn es ist überall zu Hause, hat überall seine Behörden und findet überall den guten Willen. Wenn also andere Straßen weniger gut und passend für seine Verhältnisse sind, so ist doch ihre Wahl nicht unmöglich, und das Heer wird also, wenn es sich umgangen und zu einer Drehung genötigt sähe, diese auch nicht als unmöglich betrachten. Das Heer im feindlichen Lande hingegen kann in der Regel nur diejenigen Straßen als Verbindungslinien betrachten, auf denen es selbst vorgegangen ist, und es entsteht hier eine große Verschiedenheit in der Wirkung aus kleinen, wenigstens unscheinbaren Ursachen. Die im feindlichen Lande vorgehende Armee trifft die Einrichtungen, welche das Wesen der Verbindungslinie ausmachen, im Vorgehen mit dem Heere, unter seinem Schutz, und kann, indem die drückende, Furcht und Schrecken einflößende Gegenwart des Heeres in den Augen der Einwohner diesen Maßregeln das Gepräge der unabänderlichen Notwendigkeit gibt, diese sogar veranlassen, sie als eine Milderung des allgemeinen Kriegsübels anzusehen. Kleine Besatzungen, die man hin und wieder zurückläßt, unterstützen und halten das Ganze. Wollte man dagegen seine Kommissare, Etappenkommandanten, Gendarmen, Feldposten und anderen Ordnungsapparat auf eine entlegene Straße senden, auf welcher das Heer nicht gekommen, so würden die Einwohner diese Anstalten wie eine Last ansehen, von der sie ganz füglich befreit bleiben könnten, und wenn nicht etwa die entschiedensten Niederlagen und Unglücksfälle das feindliche Land in ein panisches Schrecken versetzt haben, so werden diese Beamten feindlich behandelt, mit blutigen Köpfen abgewiesen werden. Es werden also vor allen Dingen Besatzungen erfordert, um die neue Straße zu unterwerfen, und zwar in diesem Falle beträchtlicher als in dem gewöhnlichen, wobei doch immer noch die Gefahr bleibt, daß die Einwohner es versuchen möchten, sich diesen Besatzungen zu widersetzen. Mit einem Wort: die im feindlichen Lande vorgehende Armee entbehrt aller Werkzeuge des Gehorsams, sie muß sich ihre Behörden erst einsetzen, und zwar durch die Autorität der Waffen; dies kann sie nicht überall, nicht ohne Aufopferungen und Schwierigkeiten, nicht im Augenblick. - Es folgt hieraus, daß ein Heer im feindlichen Lande noch viel weniger von einer Basis auf die andere überspringen kann durch den Wechsel des Verbindungssystems wie im eigenen Lande, wo es allenfalls möglich ist; daß mithin hieraus im allgemeinen eine größere Beschränkung in ihren Bewegungen und eine größere Empfindlichkeit für das Umgehen entspringt.

Aber auch die Wahl und Einrichtung der Verbindungslinien von Hause aus ist an eine Menge von Bedingungen gebunden, die sie beschränken. Es müssen nicht nur überhaupt größere Straßen sein, sondern sie werden auch in vieler Rücksicht um so besser sein, je größer die Straßen sind, je mehr volkreiche und wohlhabende Städte dadurch berührt, durch je mehr feste Plätze sie geschützt werden. Auch Ströme als Wasserstraßen und wieder Brücken als Übergangspunkte bestimmen dabei viel. Es ist also dadurch die Lage der Verbindungslinien und folglich auch der Weg, welchen ein Heer beim Angriff nimmt, nur bis auf einen gewissen Punkt freier Wahl unterworfen, die genauere Lage aber an die geographischen Verhältnisse gebunden.

Alle die obengenannten Dinge zusammengenommen machen die Verbindung eines Heeres mit seiner Basis stark oder schwach, und dieses Resultat, verglichen mit demselben Gegenstand bei der feindlichen Armee, entscheidet, welcher von beiden Gegnern eher imstande ist, dem anderen die Verbindungslinie oder gar den Rückzug abzuschneiden, d. h. mit dem gewöhnlichen Kunstausdruck, ihn zu umgehen. Abgesehen von der moralischen oder physischen Überlegenheit wird nur derjenige es mit Wirksamkeit tun, dessen Verbindungslinien den feindlichen überlegen sind, weil sonst der andere sich durch die Wiedervergeltung am kürzesten sichert.

Dieses Umgehen kann nun nach der doppelten Bedeutung der Straßen auch einen doppelten Zweck haben. Entweder sollen die Verbindungslinien gestört oder unterbrochen werden, damit die Armee verwelke und hinsterbe und auf diese Weise zum Rückzug gezwungen werde, oder man will ihr den Rückzug selbst nehmen.

Für den ersten Zweck ist zu bemerken, daß eine augenblickliche Unterbrechung bei der jetzigen Art der Verpflegung selten fühlbar wird, daß vielmehr eine gewisse Zeit dazu nötig ist, um durch die Menge der einzelnen Verluste zu ersetzen, was ihnen an Wichtigkeit abgeht. Eine einzelne Flankenunternehmung, die zu gewissen Zeiten einen entscheidenden Schlag tun konnte, als bei dem künstlichen Verpflegungssystem noch Tausende von Mehlwagen hin und her fuhren, wird jetzt gar nichts bewirken, wenn sie auch noch so gut gelänge; denn sie könnte höchstens einen Transport aufheben, der eine teilweise Schwäche veranlaßte, aber keinen Rückzug notwendig machte.

Die Folge ist, daß die Flankenunternehmungen, welche immer mehr in Büchern als im Leben Mode gewesen sind, jetzt noch unpraktischer erscheinen, und man kann sagen, daß nur sehr lange Verbindungslinien bei ungünstigen Umständen, hauptsächlich aber die überall und zu jedem Augenblick immer bereiten Anfälle einer Volksbewaffnung dieselben gefährlich machen.

Was das Abschneiden des Rückzuges betrifft, so muß man die Gefahr eingeengter und bedrohter Rückzugswege auch in dieser Rücksicht nicht überschätzen, da uns die neueren Erfahrungen aufmerksam darauf machen, daß bei guten Truppen und dreisten Führern das Einfangen schwerer ist als das Durchschlagen.

Die Mittel zur Abkürzung und Sicherung langer Verbindungslinien sind äußerst gering. Die Eroberung einer Anzahl Festungen in der Nähe der genommenen Aufstellung und auf den zurückgehenden Straßen oder, im Falle das Land keine Festungen hat, die Befestigung passender Plätze, die gute Behandlung der Einwohner, strenge Kriegszucht auf der Heerstraße, gute Polizei im Lande, fleißige Ausbesserung der Straßen sind die einzigen, wodurch das Übel vermindert, aber freilich nie ganz behoben werden kann.

Übrigens muß das, was bei Gelegenheit des Unterhaltes von den Wegen gesagt ist, welche die Heere vorzugsweise nehmen, noch insbesondere auf die Verbindungslinien angewendet werden. Die größten Straßen über die reichsten Städte, durch die bebautesten Provinzen sind die besten Verbindungslinien, und sie verdienen selbst bei bedeutenden Umwegen den Vorzug und geben in den meisten Fällen die nähere Bestimmung über die Aufstellung des Heeres ab.

Siebzehntes Kapitel: Gegend und Boden

Ganz abgesehen von den Mitteln des Unterhaltes, welches eine ganz andere Seite dieses Gegenstandes ist, haben Gegend und Boden eine sehr nahe und nie fehlende Beziehung zur kriegerischen Tätigkeit, nämlich einen sehr entscheidenden Einfluß auf das Gefecht, sowohl was seinen Verlauf selbst als seine Vorbereitung und Benutzung betrifft. In dieser Beziehung, also in der ganzen Bedeutung des französischen Ausdrucks Terrain, haben wir Gegend und Boden hier zu betrachten.

Ihre Wirksamkeit liegt größtenteils im Gebiet der Taktik, allein die Resultate erscheinen in der Strategie; ein Gefecht in einem Gebirge ist auch in seinen Folgen etwas ganz anderes als ein Gefecht in der Ebene.

Aber solange wir den Angriff noch nicht von der Verteidigung getrennt und uns zur näheren Betrachtung beider gewendet haben, können wir auch die Hauptgegenstände des Terrains noch nicht in ihren Wirkungen betrachten, und wir müssen also hier bei ihrem allgemeinen Charakter stehenbleiben. Drei Eigenschaften sind es, wodurch Gegend und Boden Einfluß auf die kriegerische Tätigkeit haben, nämlich: als Hindernis des Zuganges, als Hindernis der Übersicht und als Deckungsmittel gegen die Wirkung des Feuers; auf diese drei lassen sich alle zurückführen.

Unstreitig hat diese dreifache Einwirkung der Gegend die Tendenz, das kriegerische Handeln mannigfaltiger, zusammengesetzter und kunstvoller zu machen, denn es sind offenbar drei Größen mehr, welche in die Kombination treten.

Den Begriff einer vollkommenen und vollkommen offenen Ebene, also eines ganz wirkungslosen Bodens, gibt es in der Wirklichkeit nur für ganz kleine Abteilungen, und auch bei diesen nur für die Wirksamkeit eines gegebenen Momentes. Bei größeren Abteilungen und längerer Dauer mischen sich die Gegenstände des Bodens in die Handlung, und bei ganzen Heeren ist auch für einen einzelnen Moment, z. B. die Schlacht, der Fall kaum denkbar, daß die Gegend nicht Einfluß darauf gehabt haben sollte.

Dieser Einfluß ist also so gut wie immer vorhanden, aber er ist freilich stärker oder schwächer nach der Natur des Landes.

Wenn wir die große Masse der Erscheinungen im Auge haben, so werden wir finden, daß eine Gegend hauptsächlich auf dreifache Weise sich von dem Begriff einer offenen, freien Ebene entfernt: einmal durch die Gestalt des Bodens, also durch Erhöhungen und Vertiefungen, dann durch Wälder, Sümpfe und Seen als natürliche Erscheinungen und endlich durch das, was die Kultur hervorbringt. In allen drei Richtungen nimmt der Einfluß der Gegend auf das kriegerische Handeln zu. Verfolgen wir diese drei Richtungen bis zu einer gewissen Weite, so haben wir das Gebirgsland, das wenig bebaute, mit Wald und Sümpfen bedeckte, und das sehr angebaute. In allen drei Fällen also wird der Krieg dadurch verwickelter und kunstvoller.

Was den Anbau betrifft, so wirken freilich nicht alle Arten desselben in gleicher Stärke; am stärksten jener in Flandern, Holstein und anderen Gegenden gebräuchliche, wo das Land von vielen Gräben, Zäunen, Hecken und Wällen durchschnitten, mit vielen einzelnen Wohnungen und kleinen Gebüschen überstreut ist.

Die leichteste Art der Kriegführung wird also in einem Lande sein, was flach und mäßig angebaut ist. So verhält es sich aber nur in der ganz allgemeinen Beziehung, und wenn wir von dem Gebrauch, welchen die Verteidigung von den Hindernissen des Bodens macht, ganz absehen.

Jede jener drei Landesarten wirkt also auf dem dreifachen Wege: als Hindernis des Zuganges, der Übersicht und als Deckungsmittel, und zwar jede auf ihre Weise.

In einem waldbedeckten Lande ist das Hindernis der Übersicht, in einem gebirgigen das Hindernis des Zuganges vorherrschend, in sehr angebauten Gegenden halten beide die Mitte.

Da das waldreiche Land einen großen Teil des Bodens den Bewegungen gewissermaßen entzieht, weil außer den Schwierigkeiten des Zuganges auch noch der gänzliche Mangel an Übersicht nicht gestattet, von jedem Mittel des Durchkommens Gebrauch zu machen, so vereinfacht es auf der einen Seite die Handlung wieder, die es auf der anderen soviel schwieriger macht. Ist es daher in einem solchen Lande schwer tunlich, seine Kräfte im Gefecht ganz zu sammeln, so findet doch auch nicht eine so viel gegliederte Teilung statt, wie sie im Gebirge und in sehr durchschnittenen Gegenden gewöhnlich ist; mit anderen Worten: die Teilung ist in einem solchen Lande unvermeidlicher, aber weniger groß.

Im Gebirge ist das Hindernis des Zuganges vorherrschend und auf eine doppelte Art wirksam, indem man nämlich nicht überall durchkann und da, wo man es kann, sich langsamer und mit größerer Anstrengung bewegen muß. Deswegen wird die Schnellkraft aller Bewegungen im Gebirge sehr gemäßigt und der ganzen Wirkungsart viel mehr Zeit zugemischt. Aber der Gebirgsboden hat vor den anderen noch die Eigentümlichkeit voraus, daß ein Punkt den anderen überhöht. Wir werden vom Überhöhen überhaupt im folgenden Kapitel besonders sprechen und hier nur bemerken, daß es diese Eigentümlichkeit ist, welche die große Teilung der Kräfte im Gebirgslande veranlaßt, denn nun sind die Punkte nicht bloß um ihrer selbst willen wichtig, sondern auch um des Einflusses willen, den sie auf andere ausüben.

Alle drei sich zu einem Äußersten hinneigenden Arten der Gegend und das Bodens haben, wie wir das schon anderswo gesagt haben, die Wirkung, den Einfluß des obersten Feldherrn auf den Erfolg in eben dem Maße zu schwächen, als die Kräfte der Untergeordneten bis zum gemeinen Soldaten hinab stärker hervortreten. Je größer die Teilung, je unmöglicher die Übersicht ist, um so mehr ist jeder Handelnde sich selbst überlassen; das ist an sich verständlich. Zwar wird bei der größeren Gliederung, Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit des Handelns der Einfluß der Intelligenz überhaupt zunehmen müssen, und auch der oberste Feldherr wird eine größere Einsicht dabei zeigen können; aber wir müssen auch hier wieder darauf zurückkommen, was wir früher schon gesagt haben, daß im Kriege die Summe der einzelnen Erfolge mehr entscheidet als die Form, in welcher sie zusammenhängen, und daß also, wenn wir unsere jetzige Betrachtung bis an die äußerste Grenze fortsetzen und uns ein Heer in eine große Schützenlinie aufgelöst denken wollen, wo jeder Soldat seine eigene kleine Schlacht liefert, es mehr auf die Summe der einzelnen Siege als auf die Form ihres Zusammenhanges ankommt; denn die Wirksamkeit guter Kombinationen kann nur von positiven Erfolgen ausgehen, nicht von negativen. Es wird also der Mut, die Gewandtheit und der Geist des einzelnen in diesem Fall über alles entscheiden. Nur wo die Heere von gleichem Werte sind, oder die Eigentümlichkeiten in beiden sich die Waage halten, kann das Talent und die Einsicht der Feldherren wieder entscheidend werden. Die Folge davon ist, daß Nationalkriege, Volksbewaffnungen usw., wo wenigstens der Geist des einzelnen immer sehr gesteigert ist, wenn auch die Tapferkeit und Gewandtheit nicht gerade überlegen sein sollte, bei einer großen Vereinzelung der Kräfte und also einem sehr durchschnittenen Boden ihre Überlegenheit finden, daß sie aber auch nur auf einem solchen bestehen können, weil gewöhnlich einer solchen Streitkraft alle die Eigenschaften und Tugenden fehlen, die schon bei der Vereinigung mäßig starker Haufen unentbehrlich sind.

Auch die Natur der Streitkraft stuft sich von dem einen Äußersten bis zum anderen nur nach und nach ab, denn schon das Verhältnis der eigenen Landesverteidigung gibt einem Heere, wenn es auch ganz stehendes Heer ist, etwas Nationales und eignet es in diesem Fall mehr zur Vereinzelung.

Je mehr nun einem Heere diese Eigenschaften und Verhältnisse abgehen, je stärker sie bei dem Gegner hervortreten, um so mehr wird es die Vereinzelung fürchten und durchschnittene Gegenden vermeiden; allein das Vermeiden einer durchschnittenen Gegend liegt selten in seiner Wahl, man kann sich sein Kriegstheater nicht unter vielen Proben wie eine Ware aussuchen, und so finden wir denn meistens, daß die Heere, welche ihrer Natur nach in der Vereinigung der Massen ihren Vorteil finden, ihre ganze Kunst aufbieten, dies System gegen die Natur der Gegend soviel als immer möglich durchzusetzen. Sie müssen sich dabei anderen Nachteilen unterwerfen, z. B. einer dürftigen und schwierigen Verpflegung, schlechtem Unterkommen, im Gefecht häufigen Anfällen von allen Seiten; allein der Nachteil, sich seiner eigentümlichen Vorzüge ganz zu begeben, würde ein viel größerer sein.

Beide in entgegengesetzter Richtung liegende Tendenzen zur Sammlung und zur Zerstreuung der Streitkräfte finden in dem Maße statt, als die Naturen dieser Streitkräfte sich nach der einen oder anderen Seite hinneigen; aber auch in den entschiedensten Fällen kann der eine nicht immer vereinigt bleiben und der andere den Erfolg nicht allein von seiner zerstreuten Wirksamkeit erwarten. Auch die Franzosen in Spanien mußten ihre Kräfte teilen, und auch die Spanier in der Verteidigung ihres Bodens vermittelst eines Volksaufstandes mußten einen Teil ihrer Kräfte auf großen Schlachtfeldern versuchen.

Nächst der Beziehung, welche Gegend und Boden auf die allgemeine und besonders auf die politische Beschaffenheit der Streitkräfte haben, ist die auf das Waffenverhältnis die wichtigste.

In allen sehr unzugänglichen Gegenden, sei die Ursach Gebirge, Wald oder Kultur, ist eine zahlreiche Reiterei unnütz, das ist an sich klar; ebenso ist es in waldreichen Gegenden mit der Artillerie, es kann leicht an Raum fehlen, sie mit allem Nutzen zu brauchen, an Wegen, sie durchzubringen, an Futter für die Pferde. Weniger nachteilig sind für diese Waffe kulturreiche Gegenden, und am wenigsten Gebirge. Beide bieten zwar Deckung gegen das Feuer dar und sind mithin der Waffe, die vorzugsweise mit dem Feuer wirkt, ungünstig, beide geben auch dem alles durchdringenden Fußvolk die Mittel, das schwerfälligere Geschütz häufig in Verlegenheit zu bringen; allein in beiden fehlt es doch niemals geradezu an Raum zum Gebrauch einer zahlreichen Artillerie, und im Gebirge hat sie den großen Vorteil, daß die langsameren Bewegungen des Gegners ihre Wirksamkeit wieder vermehren.

Unverkennbar aber ist die entschiedene Überlegenheit, welche das Fußvolk in jedem schwierigen Boden über die anderen Waffen hat, und daß also in solchem seine Zahl das gewöhnliche Verhältnis merklich übersteigen darf.

Achtzehntes Kapitel: Überhöhen

Das Wort dominieren hat in der Kriegskunst einen eigenen Zauber, und in der Tat gehört diesem Elemente ein sehr großer Teil, vielleicht die größere Hälfte der Einflüsse zu, welche die Gegend auf den Gebrauch der Streitkräfte ausübt. Hier haben manche Heiligtümer der kriegerischen Gelehrsamkeit ihre Wurzel, z. B. beherrschende Stellungen, Schlüsselpositionen, strategisches Manövrieren usw. Wir wollen den Gegenstand so scharf ins Auge fassen, als es ohne die Weitläuftigkeit einer Abhandlung geschehen kann, und das Wahre mit dem Falschen, das Reale mit dem Übertriebenen vor unserem Blick vorübergehen lassen.

Jede physische Kraftäußerung von unten nach oben ist schwieriger als umgekehrt, folglich muß es auch wohl das Gefecht sein, und es liegen drei Ursachen davon am Tage. Erstens ist jede Höhe als ein Hindernis des Zuganges anzusehen; zweitens schießt man von oben nach unten zwar nicht merklich weiter, aber man trifft, alle geometrischen Verhältnisse wohl in Betrachtung gezogen, merklich besser als im umgekehrten Fall; drittens hat man den Vorteil der besseren Übersicht. Wie sich das alles im Gefecht vereinigt, geht uns hier nichts an, wir fassen die Summe der Vorteile, welche die Taktik aus dem Hochstehen zieht, in einen zusammen und sehen ihn als den ersten strategischen an.

Aber der erste und letzte der aufgezählten Vorteile muß in der Strategie selbst noch einmal vorkommen, denn man marschiert und beobachtet in der Strategie so gut wie in der Taktik; wenn also das Höherstehen ein Hindernis des Zuganges ist für den, der niedriger steht, so ist dies der zweite und die daraus entspringende bessere Übersicht der dritte Vorteil, den die Strategie daraus ziehen kann.

Aus diesen Elementen ist die Kraft des Dominierens, Überhöhens, Beherrschens zusammengesetzt; aus diesen Quellen fließt das Gefühl der Überlegenheit und Sicherheit für den, welcher sich auf einem Gebirgsrande befindet und seinen Feind unter sich erblickt, und das Gefühl der Schwäche und Besorgnis für den, der unten ist. Vielleicht ist sogar dieser Totaleindruck stärker, als er sein sollte, weil die Vorteile des Überhöhens mehr als die sie modifizierenden Umstände mit der sinnlichen Anschauung zusammenfallen; vielleicht geht es also über die Wahrheit hinaus, und in diesem Falle muß diese Wirkung der Einbildungskraft als ein neues Element angesehen werden, wodurch die Wirkung des Überhöhens verstärkt wird.

Allerdings ist der Vorteil der erleichterten Bewegung nicht absolut und nicht immer für den Höherstehenden; er ist es nur, wenn der andere an ihn will; er ist es nicht, wenn ein großes Tal beide trennt, und er ist es sogar für den Niedrigstehenden, wenn sie sich in der Ebene treffen wollen (Schlacht von Hohenfriedeberg). Ebenso hat auch das Übersehen seine großen Beschränkungen: eine waldreiche Gegend unten, und oft die Masse des Gebirges selbst, auf dem man sich befindet, verbieten es sehr leicht. Unzählig sind die Fälle, wo man in der Gegend selbst vergeblich nach den Vorteilen der überhöhenden Stellung suchen würde, die man nach der Karte gewählt hat, man würde oft glauben, sich nur in alle entgegengesetzten Nachteile verwickelt zu sehen. Allein diese Beschränkungen und Bedingungen heben die Überlegenheit nicht auf, welche der Höherstehende sowohl bei der Verteidigung als beim Angriff hat; nur mit ein paar Worten wollen wir sagen, auf welche Weise in beiden.

Von den drei strategischen Vorteilen des Überhöhens: Die größere taktische Stärke, der schwierige Zugang und die bessere Übersicht sind die beiden ersten von der Art, daß sie eigentlich nur dem Verteidiger zukommen, denn nur der, welcher feststeht, kann sie nutzen, weil der andere sie in seiner Bewegung nicht mitnehmen kann; der dritte Vorteil aber kann ebensogut vom Angreifenden als vom Verteidiger gebraucht werden.

Hieraus folgt, wie wichtig das Überhöhen dem Verteidiger ist, und da dasselbe auf eine entschiedene Weise nur bei Gebirgsstellungen zu erhalten ist, so würde daraus ein wichtiger Vorzug der Gebirgsstellungen für den Verteidiger folgen. Wie sich das aber wegen anderer Umstände anders stellt, wird in dem Kapitel der Gebirgsverteidigung gesagt werden.

Unterscheiden muß man überhaupt, ob bloß von der Überhöhung eines einzelnen Punktes, z. B. einer Stellung, die Rede ist: dann schwinden die strategischen Vorteile ziemlich in dem einzigen taktischen einer vorteilhaften Schlacht zusammen; denkt man sich aber einen bedeutenden Landstrich, z. B. eine ganze Provinz, als eine schiefe Fläche, wie der Abfall allgemeiner Wasserscheidungen, so daß man mehrere Märsche tun kann und immer in der Überhöhung über die vorliegende Gegend bleibt, so erweitern sich die strategischen Vorteile; denn man genießt nun diese Begünstigung des Überhöhens nicht bloß bei der Kombination der Kräfte im einzelnen Gefecht, sondern auch bei der Kombination mehrerer Gefechte untereinander. So ist es mit der Verteidigung.

Was den Angriff betrifft, so genießt er einigermaßen dieselben Vorteile von dem Überhöhen, welche die Verteidigung davon hat; deswegen, weil der strategische Angriff nicht in einem einzelnen Akt besteht wie der taktische. Sein Vorschreiten ist nicht die kontinuierliche Bewegung eines Räderwerkes, sondern es geschieht in einzelnen Märschen und nach kürzeren oder längeren Pausen, und bei jedem Ruhepunkt befindet er sich so gut wie sein Gegner auf der Verteidigung.

Aus dem Vorteil einer besseren Übersicht entspringt für den Angriff wie für die Verteidigung eines gewissermaßen aktive Wirksamkeit des Überhöhens, deren wir noch gedenken müssen; es ist die Leichtigkeit, mit abgesonderten Haufen wirken zu können. Denn eben die Vorteile, welche das Ganze aus dieser überhöhenden Stellung zieht, zieht auch jeder Teil aus derselben; mithin ist ein großes oder kleines abgesondertes Korps stärker, als es ohne diesen Vorteil sein würde, und man kann seine Aufstellung mit weniger Gefahr wagen, als man es ohne eine beherrschende Stellung könnte. Welche Nutzen aus solchen Haufen zu ziehen sind, gehört an einen anderen Ort hin.

Verbindet sich das Überhöhen mit anderen geographischen Vorteilen in unserem Verhältnis zum Gegner, sieht er sich auch noch aus anderen Gründen in seinen Bewegungen beschränkt, z. B. die Nähe eines großen Stromes, so können die Nachteile seiner Lage ganz entschieden werden, so daß er sich ihnen nicht schnell genug entziehen kann. Keine Armee ist imstande, sich in dem Tale eines großen Stromes zu erhalten, wenn sie nicht den Gebirgsrand innehat, der dasselbe bildet.

So kann das Überhöhen zum wirklichen Beherrschen werden, und es ist die Realität dieser Vorstellung keineswegs zu leugnen. Aber dies hindert nicht, daß die Ausdrücke von beherrschen der Gegend, decken der Stellung, Schlüssel des Landes usw., insoweit sie auf die Natur des Überhöhens und Herabsteigens sich gründen, meistens hohle Schalen sind, denen ein gesunder Kern fehlt. Um das anscheinend Gemeine der kriegerischen Kombinationen zu würzen, hat man sich vorzugsweise an diese vornehmen Elemente der Theorie gehalten; sie sind das Lieblingsthema der gelehrten Soldaten, die Zauberrute der strategischen Adepten geworden, und alle Nichtigkeit dieses Gedankenspieles, aller Widerspruch der Erfahrung hat nicht hingereicht, Autoren und Leser zu überzeugen, daß sie hier ins lecke Faß der Danaiden schöpften. Die Bedingungen hat man für die Sache selbst, das Instrument für die Hand genommen. Das Einnehmen einer solchen Gegend und Stellung sieht man wie eine Kraftäußerung, wie einen Stoß oder Hieb an, die Gegend und Stellung selbst wie eine wirkliche Größe, während jenes doch nichts ist wie das Aufheben des Armes, diese nichts als ein totes Instrument, eine bloße Eigenschaft, die sich an einem Gegenstand verwirklichen muß, ein bloßes Plus- oder Minuszeichen, dem noch die Größe fehlt. Dieser Stoß und Hieb, dieser Gegenstand, diese Größe, ist siegreiches Gefecht, nur dieses zählt wirklich, nur mit ihm kann man rechnen, und immer muß man es im Auge haben, sowohl bei der Beurteilung in Büchern als beim Handeln im Felde.

Wenn also nur die Zahl und das Gewicht der siegreichen Gefechte entscheidet, so ist klar, daß das Verhältnis beider Armeen und ihrer Führer wieder in Betrachtung kommt, und daß die Rolle, welche der Einfluß der Gegend spielt, nur eine untergeordnete sein kann.

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